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Die Jugendhilfe in Münsingen ist ab jetzt neu definiert

Münsingen entscheidet sich für sozialorientierte Jugendhilfe. Die Stadt wird einer von fünf Pilotorten im Kreis.

Jugendliche sitzen in einem Park. Foto: Florian Gärtner/dpa
Jugendliche sitzen in einem Park.
Foto: Florian Gärtner/dpa

MÜNSINGEN. Der Gemeinderat Münsingen hat sich für eine sozialorientierte Jugendhilfe ausgesprochen. Frühzeitig sollen dadurch Problemlagen vor Ort erkannt und niederschwellige Hilfsangebote gemacht werden können.

Vier Standorte für eine Sozialraumbezogene Präventionsstrategie gibt es bereits im Landkreis Reutlingen, Münsingen kommt als fünfter Standort hinzu. Die Stadt ist laut Christine Besenfelder, Leiterin des Kreisjugendamtes, mit ihren 14 Stadtteilen ein besonderer Standort. Das Projekt verfolgt das Ziel, mehr Präventivangebote im Rahmen einer Strategie vor allem in der Jugendhilfe zu schaffen, bevor aus einem »Fall« ein »Fall« wird. »Viele Jahre haben politische Gemeinden zielgruppenbezogen ge-plant«, so Besenfelder. Mit dem Bezug auf den Sozialraum werde aber anders darauf geschaut, was Schulkinder, Jugendliche und Familien expliziert brauchen. Es gehe darum, präventiv zu denken und Jugendhilfe wie auch Sozialstaat in Zukunft so zu entwicklen, dass Rechtsansprüche aus dem Sozialgesetzbuch, umgesetzt werden können. Da steckt laut Besenfelder »weit mehr als nur Jugendhilfe drin«. Wenn man Familien helfen wolle, könne man nicht an der Jugendgrenze aufhören. Man müsse sich auch Bürgergeldbezüge und Wohnungsnot anschauen sowie medizinische Versorgung und Suchtproblematik in den Blick nehmen. Es brauche lange und umfassende Hilfen, wenn die Selbsthilfekompetenz an Grenzen gerät, private Unterstützung fehlt, ein Zugang zu Hilfen zu spät erfolgt oder niedrigschwellige Hilfen nicht ausreichen.

Manchmal mehrere Dienste tätig

Die Präventionsstrategie sieht eine Reduzierung belastender Faktoren vor. »An allen kritischen Punkten muss überlegt werden, welcher Einfluss entfaltet werden kann«, sagte Besenfelder. In manchen Familien seien mehrere soziale Dienste tätig, niemand weiß aber aus Datenschutzgründen vom anderen. Hilfen müssten deshalb kombiniert und wirkungsorientiert gestaltet werden.

Die Stadt Münsingen verfolgt deshalb mit dem Kreisjugendamt im Rahmen der Sozialraumorientierung das Ziel, verfestigte oder verschlechternde Problemlagen rechtzeitig zu erkennen und in gemeinschaftlicher Verantwortung anzugehen. Angebote für junge Menschen und ihre Familien sollen vor Ort in kommunaler Verantwortung so ausgestaltet sein, dass sie dem tatsächlichen Bedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht gerecht werden. Wichtig ist, dass die Jugendhilfeangebote und die Arbeitsweise der Fachkräfte des Jugendamtes vor Ort bekannt sind, sodass eine frühzeitige Inanspruchnahme niedrigschwelliger und kostengünstiger Hilfen gestärkt wird und alternative Selbsthilfe möglich ist. Alle sozialen Akteure müssen vernetzt sein und ihr jeweiliges Vorgehen miteinander abstimmen. »Eine effektive Kooperation setzt immer voraus, dass gemeinsame Ziele und Handlungsschritte zur Zielerreichung erarbeitet werden und die Umsetzung geprüft wird«, ist Rebecca Hummel, Leiterin der Abteilung Bildung, Soziales und Ordnungsamt, überzeugt.

Man wolle im Stadtgebiet eine langfristige Reduzierung der Fallzahlen um rund 30 Prozent bei den Hilfen zur Erziehung erreichen. »Die Kultur auf der Alb ist so, dass man manchmal spät mitkriegt, wenn Leute Hilfe brauchen«, hat Christine Besenfelder die Erfahrung gemacht. Benötigte Hilfe müsse auch zu den Menschen in die Teilorte kommen. »Wir wollen zu den Leuten gehen und erlebbar machen, dass es keine Schande ist, Hilfe zu brauchen.«

Dafür bilden Ole Schwörer von der Stadt Münsingen, Sabrina Hagner von Hilfe zur Selbsthilfe und Tobias Decker vom Kreisjugendamt ein Sozialraumteam. Sie haben sich schon an Treffpunkten von Jugendlichen umgesehen, bieten jeweils dienstagmorgens in der Karla 5 Sprechstunde an und beraten. Derzeit steht die Bedarfserhebung im Vordergrund: Was gibt es schon und was braucht es noch, welchen Netzwerken schließt man sich an, welche Angebote können passgenau entwickelt werden?

Anlaufstation für alle

Bestehende Strukturen sollen laut Rebecca Hummel genutzt und ergänzt werden. »Niemand wird weggeschickt, jeder erfährt Hilfe. Wir wollen Anlauf-station für alle sein, unabhängig vom Alter.«

Die derzeit fünf Pilotorte Bad Urach, Lichtenstein, Orschel-Hagen, Münsingen und Pliezhausen sollen von Dauer sein und ein Beispiel für den gesamten Landkreis Reutlingen. In einigen Jahren soll die Sozialraumorientierung auf der gesamten Fläche vorhanden sein. Eine Einbindung von Schulen erfolgt über die Schulsozialarbeit. Die Stadt Münsingen hat im Haushalt rund 20.500 Euro für die 50-Prozent-Stelle von Ole Schwörer für das Projekt eingeplant. (GEA)