MÜNSINGEN. »Das Kirchtal hat sich zu einer normalen Wohnsiedlung ohne besondere Auffälligkeiten entwickelt.« Dieses Fazit zieht das Polizeipräsidium Reutlingen heute. Ganz so ruhig war es in dem Münsinger Stadtviertel nicht immer. Vor dreißig Jahren sind in Münsingen 600 Wohneinheiten geschaffen worden, um vor allem Spätaussiedlerfamilien aus der früheren Sowjetunion unterzubringen. Bedenken gab es schon damals, Ghettobildung und eine Überforderung der Stadt bei der Integration der Neubürger wurden befürchtet. Ganz unbegründet waren die Sorgen nicht, die Polizei hatte im Kirchtal jahrelang gut zu tun.
Spannungen und Frustrationen wurde auch auf der Straße ausgelebt. Die Polizei attestierte hohen Alkoholkonsum und ein hohes Aggressionspotenzial und beklagte mangelnden Respekt vor der deutschen Polizei, die Jungs waren aus den GUS-Staaten härteres Vorgehen gewöhnt. Die Gewaltbereitschaft gipfelte in einem Angriff auf vier Polizeibeamte am 27. Januar 2001, die dabei schwer verletzt wurden. Danach war Schluss mit dem Kuschelkurs, die Polizei war, verstärkt durch die Bereitschaftspolizei, über mehrere Monate massiv im Kirchtal präsent. Zugangskontrollen zu einem Stadtviertel: Das Kirchtal hatte damit seinen Ruf weg.
Heute ist das Stadtviertel ruhig und unauffällig. Die russische Sprache hat sich aber gehalten, wie an den Supermarktkassen in Münsingen leicht festgestellt werden kann. Und die weiß-blau-roten russischen Fahnen wehen nicht nur bei Fahrzeugkorsos, wenn sich Nationalmannschaften messen. (GEA)