MÜNSINGEN. Die AfD-Fraktion im Regionalverband Neckar-Alb hat beim Verbandsvorsitzenden Eugen Höschele die Widmung des Gutsbezirks Münsingen als Gelände für militärische Übungen beantragt. »Auf dem Gelände wurden mehr als hundert Jahre militärische Übungen durchgeführt, wieso soll das nicht auch künftig wieder möglich sein?«, heißt es in einer Pressemitteilung von Erik Wille, Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Vertreterversammlung im Regionalverband. Damit reagiert die AfD auf Überlegungen von Land und Bund, die Staatsdomäne Waldhof im Zollernalbkreis als Ersatzgelände für die Bundeswehr vorzusehen. Sie geht dabei von der Annahme aus, dass der Gutsbezirk Münsingen nach wie vor ein gemeindefreier Bezirk sei. Tatsächlich hat der Gutsbezirk am 1. Januar 2011 aufgehört zu existieren, das Gelände zählt seither zur Stadt Münsingen.
»Wir haben mit dem Ukrainekrieg Russlands eine veränderte sicherheitspolitische Lage und wir als AfD stehen zu unseren Streitkräften«, so Wille weiter. Der frühere Truppenübungsplatz sei perfekt für die geplanten Übungen des Kommando Spezialkräfte in Calw geeignet, aber auch der United States Army. Insbesondere die Nähe zum Flughafen Echterdingen habe für die AfD-Fraktion den Ausschlag gegeben, diesen Antrag zu stellen. »Wir können nicht nachvollziehen, weshalb das Staatsministerium in der Landesregierung unbedingt zuerst nach Haiterbach wollte und jetzt nach Geislingen bei Balingen. Die Strecke für die Flugzeuge und Hubschrauber ist nach Münsingen deutlich kürzer«, erklärt Wille.
Kein gemeindefreier Bezirk mehr
Normalerweise würde man erwarten, dass die Landesregierung die Belastung für die Bevölkerung möglichst gering hält, teilt er weiter mit. Von diesem Prinzip habe sich die Landesregierung mit ihrem Standortverfahren verabschiedet. Nachdem die Landesregierung den Standort Haiterbach vermutlich aus politischen Gründen nicht mehr umsetzen wolle, plane sie jetzt mit dem Absprunggelände in Geislingen. Es seien jedoch 55 Kilometer Luftlinie vom Stuttgart Army Airfield, dem militärischen Teil des Stuttgarter Flughafens in Echterdingen. Bis zum Gutsbezirk Münsingen seien es lediglich 35 Kilometer. Das sei ein deutlich geringerer Abstand, der sich nicht nur in einem flüssigeren Ablauf der Militärübungen auswirken werde. Die Distanz zwischen Haiterbach und Echterdingen betrage ungefähr 40 Kilometer.
Im Nachgang zum völkerrechtswidrigen Überfall der Ukraine durch Russland müsse mit Hungersnöten in der Welt gerechnet werden. In einer solchen Situation gerate die Vernichtung von hochwertigen Ackerflächen, wie die Landesregierung das in Geislingen vorsehe, in den Fokus. »Das ist ein weiterer Punkt, der für den Gutsbezirk Münsingen spricht«, so Wille. »In Münsingen gibt es keine Ackerflächen, die durch eine Umwidmung vernichtet werden könnten.«
Der ehemalige Truppenübungsplatz hat einen seltenen Status
MÜNSINGEN. Der Begriff »Gutsbezirk« ist – auch beim GEA – aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden. Wer schon länger nach dem Wetterbericht für Münsingen sucht, hat vielleicht bemerkt, dass man nicht mehr zwischen »Münsingen« und »Gutsbezirk Münsingen« wählen muss.
Der GEA spricht in der Regel vom »ehemaligen Truppenübungsplatz«. Tatsächlich gibt es den Gutsbezirk aber noch. Gutsbezirke waren einst recht häufig, sie wurden nach und nach aufgelöst, die Flächen den Kommunen zugeschlagen, erklärt Dr. Claudius Müller vom Landratsamt. Ausnahmen gibt es, und dazu gehört auch Münsingen.
Grund dafür war, dass das schon vor Abzug der Bundeswehr für den Naturschutz wertvolle Gebiet als Ganzes erhalten werden sollte, eine »Atomisierung« sollte vermieden werden, sagt Münsingens Bürgermeister Mike Münzing. 2011 wurden deshalb nur die bewohnten Gebiete »rekommunalisiert«, den anliegenden Kommunen zugeschlagen.
»Die übrigen Flächen der Gemarkung Gutsbezirk Münsingen bleiben gemeindefreies Gebiet«, heißt es im Gesetz zur Neugliederung des Gutsbezirks des Landtags. Etwa im Haushalt des Landratsamts wird daher noch vom Gutsbezirk gesprochen. Denn der Landkreis ist für die Verwaltung des »gemeindefrei bleibenden Gebiets« zuständig, erklärt Müller. Viel zu tun habe der Kreis dort mangels Einwohnern allerdings nicht. (GEA)
Der Gutsbezirk selbst sei unbewohnt und »ein gemeindefreier Bezirk in Baden-Württemberg«, heißt es wörtlich in der AfD-Mitteilung in Verkennung der Tatsache, dass der Gutsbezirk vor mehr als elf Jahren rekommunalisiert wurde. Daher ist auch nicht, wie Wille vermutet, der Landkreis für die Verwaltung zuständig.
Wille erklärt im Weiteren: »Es sollte in unser aller Interesse sein, dass unsere Soldaten und die Truppenverbände der verbündeten Staaten für die Sicherheit unseres Landes bestmöglich ausgebildet werden können und hierfür auch den benötigten Platz bereitgestellt bekommen. Niemand kann ernsthaft ein Absprunggelände in Geislingen mit um die 50 Hektar vorsehen, wenn direkt vor seiner Haustüre deutlich mehr als 6.400 Hektar ungenutzt sind.«
Die Vorsitzenden der anderen Fraktionen im Regionalverband Neckar-Alb wurden von Wille von dem Antrag in Kenntnis gesetzt. und beworben. »Ich kann es mir nicht vorstellen, dass der Antrag abgelehnt wird, da dieser nur Vorteile im Gegensatz zu den bisherigen Planungen hat«, schreibt Wille weiter in seiner Mitteilung.
Für die Mitglieder der CDU-Fraktion wurde bereits ein Gesuch bei dem CDU-Bundesvorsitzenden Merz und dem Landesvorsitzenden Strobl gestellt, mit dem Ziel, dass diese den Antrag befürworten können, ohne ein Parteiausschlussverfahren zu befürchten müssen. (eg/ps)