METZINGEN. Ein »Ausstellungs-Konzert« in ungewöhnlichem Rahmen bot sich mit Modest Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung« den zahlreichen Besuchern in der evangelischen Kirche Neuhausen. Das 50-köpfige Jugendsinfonieorchester der Musikschule Metzingen und des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums unter der Leitung von Bruno Seitz und Paula Stark erschufen ein wahrhaft fulminantes Klangwerk in ausgefeilter Dynamik.
Ergreifende Melodien und hymnischen Weisen wurden trotz Klangvielfalt zu einer harmonischen, professionellen Einheit. Durch die stimmungsvollen Gegensätze behielt die Musik von Anfang bis Ende eine flirrende Spannung, die imposanten kräftigen Bläser und die äußerst fein ausgearbeiteten Streicherklänge setzten Ravels Instrumentierung mit Explosionen von Tempi, Instrumentierung und Rhythmik geradezu atemberaubend gut um.
Für die Augen sichtbare Musik
Diese herausragende Leistung ist auch deshalb besonders hervorzuheben, da Corona für lange Zeit das Proben unmöglich machte. Sobald jedoch gemeinsames Musizieren wieder möglich war, waren auch alle Mitspielende sofort wieder da und stiegen begeistert in die Probearbeit für das wirklich anspruchsvolle, komplexe Konzertwerk, wie Dirigent Bruno Seitz betonte. Er entfesselte in gewohnt mitreißendem Dirigat sein Orchester zu einer Höchstleistung.
Die Grenzen zwischen Musik und Bild, zwischen Dargestelltem, dem Gehörten und dem Publikum wurden an diesem einmaligen Abend vollkommen aufgebrochen. Anders ausgedrückt: Musik wurde für die Augen sichtbar und Farben und Formen hörbar – sinnig verknüpft mit einer kurzweiligen, eloquent vorgetragenen Führung. Die Galeristin Bettina Scharping, die auch das Kunstprojekt mit den Gemälden für diesen Abend geleitet hatte, vermittelte mit ihren Texten Hintergrundwissen und Impulse zu den Gemälden und Klängen und schaffte gekonnt eine stimmungsvolle Klammer für Musik und Kunst.
Auf drei Leinwänden konnten das Publikum abwechselnd Gemälde, Collagen und Assemblagen von elf Siebtklässlern der Schönbein-Realschule das jeweils passendes Pendent zum musikalischen Bild Mussorgskys auch visuell genießen. So hatte man als Betrachter und Zuhörer den Eindruck, tatsächlich eine Ausstellung zu besuchen – so wie von Mussorgsky gewünscht.
Unglaublich beeindruckend war zu sehen, wie intensiv die Schüler sich mit dem musikalischen Werk beschäftigt hatten und dies dann in einem Umkehrungsprozess vom Klang zu Farbe in unterschiedlichsten Techniken umsetzten. Und so sah man auf den Leinwänden nicht nur.
Anspruch weit übertroffen
"Kobolde, Küken und Katakomben", sondern auch einen schweren Ochsenkarren als Metapher für ein geschundenes Volk, eine lebendige Marktszene in Limoges oder als grandioses Finale "Das große Tor von Kiew" mit goldener Kuppel und bezaubernden Details. Die Gemälde wurden zu Umsetzungen von Klang in Pinselstrich und bildeten ein würdiges Pendant zur begeisternden Musik des Orchesters. "solange es Menschen gibt, die solch" herzergreifende Klänge erschaffen – und solche, die sie zu Gehör bringen, solange die Künstler der Welt bewirken, etwas in uns zu rühren und zu bewegen, solange muss es Hoffnung und Zuversicht geben."
Bei diesen bewegenden Schlussworten Bettina Scharpings und dem darauffolgenden eindrucksvoll majestätischem Schlussstück »Das große Tor von Kiew« blieb fast kein Auge trocken. Wie sagte doch Bruno Seitz zur Einstimmung: »Wir wollen die Grenzen zwischen Musik und bildender Kunst aufbrechen und überschreiten.« Dieser Anspruch wurde an diesem Abend weit übertroffen. (pm)