Logo
Aktuell Livestream

Reutlingen zeigt in der Pandemie ein klangstarkes Kultur-Lebenszeichen

Dass die regionale Kulturszene in Reutlingen trotz Pandemie lebt, präsentierte am Freitagabend ein Livestreamkonzert aus der Stadthalle. Die Württembergische Philharmonie Reutlingen hatte dazu Musiker, Schauspieler und junge Tänzerinnen eingeladen.

Das Pop-Trio The Melikas bezauberte mit schönen Stimmen.   FOTO: PFISTERER
Das Pop-Trio The Melikas bezauberte mit schönen Stimmen. FOTO: PFISTERER
Das Pop-Trio The Melikas bezauberte mit schönen Stimmen. FOTO: PFISTERER

REUTLINGEN. »Gemeinsam statt einsam – Konzert der Hoffnung« stand als Motto über der Aktion. Mit ihr wollte die Philharmonie der Lockdown-gebeutelten Kulturszene eine Stimme geben, Zuversicht verbreiten, den Gemeinschaftsgeist der Reutlinger Kulturakteure beschwören. Oberbürgermeister Thomas Keck hatte die Schirmherrschaft übernommen, die Kreissparkasse Reutlingen und der Reutlinger General-Anzeiger hatten sich als Partner hinter das Projekt gestellt. Keck dankte im Namen des Orchesters auch dem Publikum, das den Kulturschaffenden in schwieriger Zeit die Treue hält.

Mit Constance Dadas lebhaften, die Zuschauer draußen an ihren Monitoren mitreißenden Moderationen ging’s ins Programm. Und mit der sanft schwebenden Altstimme von Jan Jerlitschka, der im Knabenchor Capella Vocalis groß wurde und nun in Trossingen Gesang studiert. Noch geschmeidiger, gelöster, ausdrucksstärker ist seine Stimme geworden. In die Arie »Lascia ch’io pianga« aus Händels »Rinaldo« legt er Klage und Trost zugleich.

Dirigent Johannes Klumpp hält das Orchester mit Temperament in der Spur.
Dirigent Johannes Klumpp hält das Orchester mit Temperament in der Spur. Foto: Markus Pfisterer
Dirigent Johannes Klumpp hält das Orchester mit Temperament in der Spur.
Foto: Markus Pfisterer

Auch die Tonne ist vertreten, mit den Schauspielern Daniel Tille und David Liske. In Texten werfen sie sich die Bälle zu, mit Hesse, mit Hofmansthal und Erich Kästner. Von der Musik als Zeichen in der Nacht ist da die Rede, vom Frühling, der den Winter vertreibt – und später von einem Zirkuspferd, das nicht mehr fressen will, als es nicht mehr in die Arena darf. Klare Anspielungen auf die Kulturszene im Lockdown, von Tille und Liske mit Witz und tollem Timing rübergebracht.

Moderatorin Constance Dada führt mit Charme durchs Programm.
Moderatorin Constance Dada führt mit Charme durchs Programm. Foto: Markus Pfisterer
Moderatorin Constance Dada führt mit Charme durchs Programm.
Foto: Markus Pfisterer

Nachdenkliche Töne des Orchesters mit dem Intermezzo aus Mascagnis Oper »Cavalleria rusticana« – doch schon leuchtet Hoffnung aus hellen Geigentönen. Erst recht im Finale aus Haydns Sinfonie Nr. 88. Drei junge Mädchen aus dem Nachwuchs-Projekt »Bühne frei« der Philharmonie wirbeln dazu über die Bühne. Mit ihrem Dance-Workshop-Leiter Levent Gürsoy zucken sie mal nach Breakdance-Art, dann wiegen sie sich in ballettartigen Bewegungen – bezaubernd!

Schwenk zum Girl-Pop-Trio The Melikas, die als Vertreterinnen der Musikschule hier sind: Donia Grolli, Isabel da Silvas und Eva Hofius. In sphärischen Harmonien wölben sich ihre Stimmen im Intro zum Destiny’s-Child-Hit »Survivor«, ehe der Sound in einen kraftvollen Groove biegt. Drei starke Stimmen vereinen sich da voller Energie zu Akustikgitarre, Trommel und Perkussion.

Kinder des Tanzprojekts »Bühne frei« performen zu Musik von Joseph Haydn.
Kinder des Tanzprojekts »Bühne frei« performen zu Musik von Joseph Haydn. Foto: Markus Pfisterer
Kinder des Tanzprojekts »Bühne frei« performen zu Musik von Joseph Haydn.
Foto: Markus Pfisterer

Stark auch, wie Heiner Kondschak und Hanna Herrlich einem Stück aus ihrem Liebeslieder-Programm sinfonische Wucht geben. Kondschak hat extra ein Arrangement für die Streicher des Orchesters geschrieben und legt mit einem Flöten-Intro los.

Der Bann ist gebrochen, das Nachdenkliche fällt ab, mit Bernsteins »Candide«-Ouvertüre und dem Latin-Hit »Tico Tico« geht’s auf die Zielgerade. Johannes Klumpp am Pult feuert nochmal alle an, es wird ausgelassen gefeiert in der Stadthalle, zumindest musikalisch. Bleibt zu hoffen, dass das Happy End im richtigen Leben für die gebeutelte Kulturszene nicht allzu lange auf sich warten lässt. (akr)