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Poems on the Rocks in Wimsen: Kopf einschalten lohnt sich

Dass bei Rockmusik der Kopf nicht nur zum Headbangen genutzt werden kann, haben Poems on the Rocks beim Konzert in der Wimsener Mühle demonstriert.

Jo Jung (links) und Jörg Krauss in der Wimsener Mühle.  FOTO: WURSTER
Jo Jung (links) und Jörg Krauss in der Wimsener Mühle. FOTO: WURSTER
Jo Jung (links) und Jörg Krauss in der Wimsener Mühle. FOTO: WURSTER

HAYINGEN-WIMSEN. Die Stuttgarter Truppe rückt nicht harte Gitarrenriffs und ausufernde Schlagzeugsoli in den Mittelpunkt, sondern lenkt Blick, Ohr und Verstand auf die Texte englischsprachiger Rockklassiker, indem sie Übersetzungen in den Vortrag mit einfließen lässt. Schauspieler und Synchronsprecher Jo Jung liefert die deutsche Version sozusagen als Untertitel in Sprechgesang, Sänger Jörg Krauss tastet sich möglichst nahe an das fremdsprachige Original heran – was ihm auch meist hervorragend gelingt.

Poems on the Rocks fügen dem Konzerterlebnis so eine weitere Dimension hinzu, das verändert die Wahrnehmung des Zuhörers erheblich. Der hängt zuerst Jo Jung an den Lippen, dann versucht er im Original die Inhalte wiederzuerkennen. Mal gelingt das, mal nicht. Jo Jung hat sich bei seiner Rekrutierung ausbedungen, lyrisch übersetzen zu dürfen, also nicht wie ein Simultanübersetzer am Original kleben zu müssen, sondern ein eigenständiges Stück Lyrik schaffen zu dürfen. So wird dann aus »Into the Great Wide Open« die »Welt ohne Grenzen«, aus dem »Rebel without a Clue« »ein Rebell, in der Birne nicht sehr hell«. Tom Petty wird’s verzeihen. Hintersinniger führt Jung mit dem Thomas-Hobbes-Zitat »Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf« auf »People Are People« von Depeche Mode hin. Jörg Krauss macht das Spiel ums Wiedererkennen mit seiner glasklaren Aussprache einfach, da macht auch das englische Original auf einmal Sinn.

Natürlich wird nicht jedes sinnfreie Lala-Wohlfühl-Stück übersetzt, Jung und Krauss’ Truppe suchen sich schon Stücke heraus, die eine Botschaft mitbringen, selten eine einfache. Es geht um Widerstand und Tod, dunkle Zwänge und dunkle Gier, um den direkten Weg in die Hölle. Der imposante, glatzköpfige Jo Jung im schwarzen Gehrock bringt den richtigen Resonanzboden für solch schwarze Botschaften mit. Die angelsächsische Unbekümmertheit der Arrangements macht den deutschen Weltschmerz aber erträglich.

Bei der Bühnenpräsenz der beiden Vokalisten geraten die Musiker leicht in den Hintergrund, was sie aber wirklich nicht verdient haben. Christoph Berner (Gitarre), Helmut Kipp (Schlagzeug), Edgar Müller (Keyboards) und Andy Kemmner am Bass brauchen sich nicht zu verstecken, das tun sie auch nicht, wenn die zwei Vokalisten wie bei Stevie Wonders »Superstition« die Bühne mal kurz ganz verlassen und den Vieren den nötigen Raum öffnen. Was hat nicht geklappt? Die Performance des Schlussstücks »Heroes« von David Bowie bekommt zehn Punkte für den Mut zur Aufführung, aber nur fünf für die Umsetzung. Bowie ist einfach nicht Krauss’ Stimmlage. (GEA)