TÜBINGEN. Das Junge LTT zeigt ab dem kommenden Dienstag an drei aufeinanderfolgenden Abenden jeweils um 19 Uhr seine aktuelle Produktion als digitalen Livestream: »Sophie Scholl: Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten«. Annette Müller inszeniert das Stück über die couragierte Widerstandskämpferin während des Lockdowns sowohl für die Bühne als auch für den digitalen Raum.
1943, zwei Jahre vor Kriegsende, wird die Gruppe Weiße Rose zerschlagen, die sich den Nationalsozialisten aktiv widersetzte. Eines ihrer Mitglieder ist die 21-jährige Studentin Sophie Scholl. Ihr Schicksal prägt unser Gedenken an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte bis heute.
Schauspielerin Kristin Scheinhütte versammelt in sich die Stimmen und Eindrücke von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern Sophie Scholls. Aus dem so zusammengefügten dokumentarischen Material entsteht ein vielschichtiges Porträt dieser jungen Frau, die am 9. Mai 100 Jahre alt geworden wäre.
»Mit der Vergangenheit ist es eine sehr seltsame Angelegenheit«, betont Annette Müller. »Oft legt sich eine gewisse Unschärfe über die Erinnerung.« Sophie Scholl auf eine junge Frau zu reduzieren, die gegen politische Entscheidungen protestiere, indem sie Flugblätter verteile, sei gänzlich falsch: »Ich denke, es ist wichtig, die Erinnerung an den Nationalsozialismus wachzuhalten und damit verantwortungsvoll umzugehen.«
Nicht korrumpierbar
Annette Müller glaubt, dass alle Menschen, die sich damals im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert haben, sehr besondere Menschen gewesen sein müssen: »Sie besaßen alle eine Art ›innerer Autonomie‹, die unantastbar war. Sophie Scholl gewiss auch.« Sie habe sehr scharf gedacht und sei in ihren inneren Werten nicht korrumpierbar gewesen: »Das beeindruckt mich am meisten. Sie hat sich selbst nichts vorgemacht.«
Über ihre Herangehensweise an die Online-Inszenierung berichtet Annette Müller, dass Vorgänge im virtuellen Raum ganz anders funktionierten als im Bühnenraum: »In der Bühnenversion beschäftige ich mich viel mit Bewegung. In der digitalen Variante braucht es eine Verdichtung.« Deshalb setze sie hier auf das Format Lecture Performance. So nennt man kreatives Arbeiten an der Schnittstelle von Vortrag und Performance. »Ich hoffe, dass vor allem in Hinblick auf den Informationswert beide Formate spannend sind«, sagt Annette Müller, die neben der Regie auch für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet. Musik und Sounddesign besorgt Michael Lohmann, die Dramaturgie Michel op den Platz.
Die ersten Online-Vorstellungen sind am 16., 17. und 18. Februar, jeweils um 19 Uhr. Das Publikum bestimmt den Preis, ob eine Karte für 5 oder 10 Euro, bleibt den Zuschauern überlassen. Eine Stunde vor Vorstellungsbeginn bekommt man einen Zoom-Link zugeschickt, mit dem man sich in die Vorstellung einwählt. (eg)
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