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Am Ende schwingt bei der Classic Night Wehmut mit

»Italienische Nacht« im Kreuzeiche-Stadion mit berührender Opernmusik und instrumentalem Glanz

Juan Pablo Marín und Christine Reber betörten mit ihren Stimmen.  FOTOS: NIETHAMMER
Juan Pablo Marín und Christine Reber betörten mit ihren Stimmen. Foto: Markus Niethammer
Juan Pablo Marín und Christine Reber betörten mit ihren Stimmen.
Foto: Markus Niethammer

REUTLINGEN. Das Publikum wollte die Mitwirkenden gar nicht mehr von der Bühne lassen. So verbunden miteinander waren beide Seiten am Ende des Konzerts. Natürlich hing das auch mit der Wehmut darüber zusammen, dass es die letzte Classic Night in dieser Form, an diesem Ort war, wie Dr. Peter Beckmann, Vorsitzender der Betzinger Sängerschaft, eingangs noch einmal erläutert hatte.

Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagte er. Zwar gebe es gute Ideen für ein finanziell nicht ganz so aufwendiges Nachfolgeprojekt, spruchreif sei aber noch nichts. Und weil die Chöre – neben der Betzinger Sängerschaft der veranstaltende Philharmonia Chor Reutlingen – nächstes Jahr um diese Zeit nach Prag eingeladen sind, stelle sich die Frage ohnehin erst für 2020.

Im Kreuzeiche-Stadion hatte sich am Samstagabend bei regnerischem Wetter, aber nicht unangenehmen Temperaturen ein treues Publikum – 2 200 Zuhörer waren es – zu dieser Classic-Night-Finissage unter dem Titel »Italienische Nacht« versammelt. Und mit den beiden Chören auf der Bühne ein illustrer Kreis von Solisten.

Glanz in den Spitzentönen

Der künstlerische Ausdruck stand bei allen Darbietungen hörbar an erster Stelle. Selbst beim effektvollen Schlussstück, der Ballettmusik und dem Triumphmarsch aus Verdis Oper »Aida«, bei dem Chor und Orchester (als bewährter Partner dabei: die Württembergische Philharmonie Reutlingen, die in 17 Jahren nur zweimal passen musste) allerdings mit dem von Ulrich Frick in den Himmel gemalten und von Friedel Treutlein taktgenau gezündeten Brillantfeuerwerk konkurrierten.

Trompeter Simon Höfele setzte Glanzpunkte.
Trompeter Simon Höfele setzte Glanzpunkte. Foto: Markus Niethammer
Trompeter Simon Höfele setzte Glanzpunkte.
Foto: Markus Niethammer

Der Einstieg geriet mit Johann Strauss’ Ouvertüre zur Operette »Eine Nacht in Venedig« walzerselig und spritzig. Der Chor gab daraufhin mit Strauss und den Librettisten Camillo Walzel und Richard Genée die Losung aus, dass es nun an der Zeit sei, »dass laute Lust hier erwacht«. Es war dies der Moment, in dem Christine Reber (Sopran) und Juan Pablo Marín (Tenor) ihre wunderbar harmonierenden Stimmen zum ersten Mal an diesem Abend hören ließen. Reber, die in Tübingen geboren, in Reutlingen aufgewachsen ist, vermag ihren Sopran samtig anzulegen und in Spitzentönen zu glänzen, wie sie etwa in »Sempre libera« aus Verdis Oper »La Traviata« bewies, wo sie das hohe Es zu singen hatte. Sie gestaltet innig und schafft es, dass ihre ausgesungenen Bögen immer wirklich empfunden und sehr natürlich klingen.

Marín, der aus Costa Rica stammt, zeigt sich stimmlich wandlungsfähig. Klar zeichnend und geschmeidig allerdings vermag er immer zu singen, ob er nun, wie vor der Pause, mit Reber Tony Dallaras leichtfüßig-jazziges »Come prima« gestaltet oder später in »E lucevan le stelle« aus Puccinis Oper »Tosca« glänzt. Die beiden Gesangssolisten erwiesen sich wirklich als Glücksgriffe für den Abend, nicht zuletzt, was die Ausgestaltung der Opern- und Operetten-Highlights betraf, darunter das von Reber höchst berührend gesungene »O mio babbino caro« aus Puccinis Oper »Gianni Schicchi« und der von Marín zwischen lässig und schwärmerisch angelegte Lagunenwalzer »Ach, wie so herrlich zu schau’n« aus der »Nacht in Venedig«. Simon Höfele, ein junger Trompeter von gerade mal 23 Jahren, ist als Solist ebenfalls ein Gewinn. Mit zwei Werken, die eigentlich für Oboe geschrieben sind, zog er das Publikum in den Bann.

Konzerte von Bellini und Albinoni waren es, die er spielte und die von hohem Stilempfinden, stupender Virtuosität und der Fähigkeit zu innigstem Ausdruck des Interpreten zeugten. Da war es nur konsequent, dass die Zugabe, die den Abend beschloss, ihm und der Württembergischen Philharmonie gehörte.

Bekannt war die Classic Night stets für Überraschungen im Programm. Gut, dass Rossinis »Rendez-vous de chasse« gespielt werden würde und die Jagdhornbläserkameradschaft Eningen dabei eine Rolle spielen würde, war bekannt. Ihre Parforcehörner dann aber doch in natura zu hören, war ein so nicht erwartetes Erlebnis. Man wähnte sich in einer anderen Welt, erdverbundener, direkter und, wenn man so will, realer, als alle Kunst sie uns je glauben machen kann.

Die Jagdhornbläserkameradschaft Eningen.
Die Jagdhornbläserkameradschaft Eningen. Foto: Markus Niethammer
Die Jagdhornbläserkameradschaft Eningen.
Foto: Markus Niethammer

Martin Künstner, der als Dirigent souverän durch den Abend führte – die Classic Night geht im Wesentlichen auf seinen Impuls zurück – griff selbst zum Parforcehorn, um gemeinsam mit der Bläserkameradschaft das Publikum aus der Pause zu holen.

Während die Württembergische Philharmonie besonders in Ouvertüren und Stücken wie Respighis Siciliana aus »Antiche Danze« glänzte, gab der Chor starke Vorstellungen in »Qui la selva è più folta ed ombrosa« aus Bellinis »Die Nachtwandlerin« und dem Gefangenenchor »Va, pensiero, sull’ali dorate« aus Verdis »Nabucco«. Bestens präpariert waren die Sänger, legten Wert auf Differenzierung und artikulierten deutlich. Man freut sich schon auf ein Wiederhören, dann eben in einem anderen Rahmen. (GEA) Seite 9