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Zoff zwischen Federle und Lauterbach ums Thema Schnelltests

Würde der Tübinger Weg in ganz Deutschland funktionieren? Kommt aufs Geld und die Organisation an, sagt Tübingens Pandemie-Beauftragte Lisa Federle. SPD- Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) sieht das anders und ist genervt. Ein Schlagabtausch.

Notärztin Lisa Federle spricht in Tübingen bei einer Schulung über Schnelltests für Erzieherinnen.
Notärztin Lisa Federle spricht in Tübingen bei einer Schulung über Schnelltests für Erzieherinnen. Foto: dpa
Notärztin Lisa Federle spricht in Tübingen bei einer Schulung über Schnelltests für Erzieherinnen.
Foto: dpa

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Die Freude über Lockerungen in der Corona-Pandemie währte nur kurz. In Reutlingen tritt am Dienstag die Notbremse in Kraft, weil die Inzidenz drei Tage in Folge über 100 lag. Ein Alptraum für Reutlinger Einzelhändler. Termin-Shopping ist dann nicht mehr möglich, Museen müssen schließen, Kontaktbeschränkungen werden verschärft, körpernahe Dienstleistungen sind nicht mehr möglich. Außerdem deutet alles darauf hin, dass Bund und Länder den Lockdown heute verlängern.

Ist das wirklich der richtige Weg? Oder sollte sich die Regierung nicht lieber ein Beispiel an Kommunen wie Tübingen oder Augustusburg nehmen, die mit Schnelltest-Konzepten Öffnungen ermöglichen wollen? Bei diesem Thema sind Lisa Federle, Pandemie-Beauftragte des Landkreises Tübingen, und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in einer Talkrunde auf »Bild.de« am Sonntag immer wieder aneinander geraten. Auslöser war die Frage, ob das was, was in Tübingen derzeit gemacht wird, nur in einer Stadt dieser Größe, oder auch in Köln, Hamburg, München oder Berlin funktionieren würde. Ein Protokoll des Schlagabtauschs:

Federle: "Das ist alles eine Frage der Organisation und der Finanzierung. Seit Oktober fordere ich Schnelltests. Erst in Altersheimen, dann haben wir ein Spendenprojekt auf die Beine gestellt. Wir testen seit 26. November. Bis Ende Februar haben wir täglich kostenlos getestet und wir hatten die ganze Zeit super Zahlen. (...) Ich lerne gerade die Firmen in Tübingen ein, dass die selber testen. Weil ist irrsinnig teuer ist, wenn man da die Apotheken und die Ärzte überall zum Testen hinschickt. Überlegen Sie sich mal, da ist eine Firma mit 1.000 Mitarbeitern und da wird zwei Mal die Woche getestet und das kostet jedes Mal 15 Euro. (...) Natürlich weiß jeder, dass das Testergebnis nur kurzfristig gültig ist. Aber testen ist eine Möglichkeit. Ich verstehe nicht, warum man das nicht viel früher schon gemacht hat.

Lauterbach: Ich kann das erklären. Testen, testen, testen, diesen Vorschlag habe ich auch gemacht. (...) Die weltweite Kapazität der Tests die war halt begrenzt. Im Januar lag die Gesamtkapazität der großen Hersteller Siemens, Abbott und Roche bei ungefähr 45 Millionen pro Monat für ganz Deutschland.

Federle: Stimmt nicht, das kann ich beweisen. Ich kann beweisen, dass ich eine Mail von Abbot habe, die ich meiner Landesregierung Ende Januar geschickt habe, mit einem Angebot über 20 Millionen Tests innerhalb von vier Wochen. Nur für Baden-Württemberg.

Lauterbach: Das entspricht nicht dem, was wir in Berlin von denselben Firmen für ganz Deutschland vorgetragen bekommen haben.

Federle: Ich kann‘s beweisen.


Die Tübinger Notärztin Lisa Federle beim Bild-Talk mit Karl Lauterbach (SPD/von oben), Christian Lindner (FDP), Sven Schulze (CDU) und Dirk Neubauer (Bürgermeister Augustusburg/nicht im Bild).

Themenwechsel. Muss sich die Politik von den starren Inzidenzwerten 50 und 100 lösen? Der Landkreistag wolle diese Werte nicht mehr akzeptieren, sagt der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner. Immer wieder äußert er Kritik am aktuellen Krisen-Management von CDU und SPD. Obwohl sich die Runde einig ist, dass Schuldzuweisungen Niemanden vorwärts bringen, werden sie doch vorgetragen.

Federle: Was mir an dieser Runde auffällt: Es wird ständig diskutiert. Jeder schiebt dem anderen was zu, keiner packt richtig an. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren, aber das habe ich seit Monaten mit der Landesregierung, mit dem Sozialministerium erlebt. (...) Es ist in der Politik schade, dass keiner sagt, ich arbeite pragmatisch und übernehme Verantwortung. Das ist mir alles zu theoretisch. (...) Die Bürger wollen von uns nicht, dass wir nur reden und uns gegenseitig die Schuld zuschieben.

Lauterbach: Wir haben doch ein Konzept. Das praktische Konzept ist, wir testen zwei Mal pro Woche die Schüler und zwei Mal in pro Woche in den Betrieben. (...) Das ist ein wissenschaftlich gesichertes Konzept. Es senkt den R-Wert unter die Grenze, die wir benötigen. (...)

Federle: Bei uns in Tübingen ist das so, dass die Firmen die Tests selber bestellen und selber bezahlen. Und wir lernen sie ein, damit sie die Tests selber durchführen können, weil die Finanzierung nach wie vor nicht geklärt ist. (...)

Lauterbach: Frau Federle, Sie haben das Konzept doch gelesen, was wir am 3. März beschlossen haben und wieder beschließen.

Federle: Das nutzt aber nichts, wenn das nicht umsetzbar ist.

Lauterbach: Es geht um Selbsttests, die unter Anleitung gemacht werden, die etwa 4,50 kosten...

Federle: Ja, aber die kriegen die Firmen derzeit nicht bezahlt. (...) Tut mir leid, ich kann nur sagen, wie es an der Basis aussieht.

Lauterbach: Das Konzept sieht doch vor, dass die Arbeitgeber die Tests für die Arbeitnehmer bezahlen. (...) Bund und Länder kommen dafür auf.

Federle: Aber bisher heißt es nur, die kommen auf. Aber das Geld kommt von nirgends derzeit.

Lauterbach: Man darf nicht alles kaputtreden.

Federle: Ich rede gar nichts kaputt. Wir machen‘s ja.

Lauterbach: Ich weiß, in Tübingen läuft alles wunderbar.

Federle: Wir reden wirklich nichts kaputt, im Gegenteil wir machen‘s, wir hätten nur gerne, dass es umsetzbar ist.

Lauterbach: Ich weiß, aber es nervt ehrlich gesagt auch ein bisschen. Ich weiß, dass es in einer kleinen Stadt in Tübingen gelungen ist, dass durch besonderes Engagement die Tests zum Teil zur Verfügung stehen. ich weise nur nochmal daraufhin, dass mein Informationsstand der ist, dass wir dafür die Testkapazität von gesicherten wissenschaftlich geprüften Tests im Januar noch nicht hatten. (...) Mann kann nicht einfach immer nur kopieren. Es muss auf Konzepte gesetzt werden, die geprüft sind.

Federle: Aber es gibt keine.

Lauterbach: Ich will nicht, dass der fälschliche Eindruck entsteht, dass das, was in Tübingen gemacht wird, was ich oft genug mit Frau Federle gemeinsam vorgetragen und auch gelobt habe, dass das in ganz Deutschland schon seit einem dreiviertel Jahr hätte gemacht werden können. (...) (GEA)