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Wohnträume geplatzt: Im Kreis Tübingen nur 100 Baugenehmigungen in sechs Monaten

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es im gesamten Landkreis Tübingen lediglich 101 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser

Für die meisten ein unerreichbarer Wunschtraum: Wohneigentum.  FOTO: PR
Für die meisten ein unerreichbarer Wunschtraum: Wohneigentum. FOTO: PR
Für die meisten ein unerreichbarer Wunschtraum: Wohneigentum. FOTO: PR

TÜBINGEN. Schlechte Chancen auf ein Wohnen in den eigenen vier Wänden: Vom Einfamilienhaus über das Reihenhaus bis zur Eigentumswohnung – im Landkreis Tübingen gibt es rund 53.200 Wohnungen, für die keine Miete bezahlt werden muss. Denn ihre Eigentümer nutzen sie selbst. Die Wohneigentumsquote im Kreis Tübingen liegt damit bei rund 51 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Regionalanalyse zum Wohnungsmarkt hervor, die das Pestel-Institut (Hannover) gemacht hat.

Darin geben die Wissenschaftler eine eher düstere Prognose, wenn es um das Wohneigentum im Kreis Tübingen geht: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es nach Angaben des Pestel-Instituts im gesamten Landkreis Tübingen lediglich 101 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 170 Baugenehmigungen. »Damit ist der Eigenheimbau innerhalb von nur einem Jahr um 41 Prozent zurückgegangen«, sagt Matthias Günther. Der Leiter des Pestel-Instituts sieht »das Wohneigentum weiter auf der Rutschbahn«.

Wer kann eine Immobilie kaufen?

»Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung – er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch der Kreis Tübingen quasi in eine Schockstarre verfallen«, sagt Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustofffachhandel, der die Wohnungsmarktuntersuchung beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat. Nur wenige Menschen könnten sich die eigenen vier Wände heute noch leisten. »Hohe Zinsen, hohe Baulandpreise, hohe Baukosten, die vor allem auch durch hohe Klimaschutzauflagen nach oben getrieben werden: Wohneigentum scheitert am Geld«, so Metzger.

Die Wissenschaftler vom Pestel-Institut sprechen sich in ihrer Untersuchung deshalb für ein "Bundes-Baustartkapital" aus. "Wer heute neu bauen will, der braucht vor allem eines: günstiges Geld. Notwendig ist deshalb ein Bundes-Baudarlehen mit höchstens 1,5 Prozent Zinsen als Startkredit fürs Wohneigentum.

Der Staat sollte den Menschen den festen Niedrigzins für 20 Jahre bieten – und das für einen Kredit in Höhe von bis zu 4.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche", fordert Wohnungsmarktforscher Matthias Günther. Dadurch ließe sich der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern, von Eigentumswohnungen und Reihenhäusern auch im Kreis Tübingen wieder pushen. "Mit der Garantie eines langfristig kalkulierbaren und günstigen Kredits würde der Bund den Menschen die Chance geben, zu "Neubau-Startups" zu werden", so Günther.

Um mehr Wohneigentum möglich zu machen, sei deshalb ein mehrere Milliarden Euro schweres Darlehenspaket des Bundes notwendig. Die bestehende, erst in diesem Jahr neu eingeführte Wohneigentumsförderung des Bundes erklärt das Pestel-Institut für gescheitert: Mit 350 Millionen Euro ließe sich bestenfalls der Neubau von 2.000 Eigenheimen anschieben.

Das Ziel des Bundes sollte es aber sein, 100.000 neu gebaute Eigenheime pro Jahr zu schaffen und damit an frühere Kapazitäten bei der Bildung von Wohneigentum anzuknüpfen. »Außerdem geht die aktuelle Wohneigentumsförderung der Ampel völlig an der Lebensrealität vorbei: Wer sie in Anspruch nimmt, braucht ein niedriges Einkommen. Er muss aber gleichzeitig genug Geld auf der hohen Kante haben, um sich bei hohen Grundstückspreisen und hohen Baukosten einen Neubau leisten zu können«, so Institutsleiter Matthias Günther.

Bauen ist extrem teuer

»Ins Geld geht vor allem der Energiesparzwang. Hier muss der Bund einen Gang zurückzuschalten«, sagt Metzger. Wer heute für sein Wohneigentum die Förderung vom Bund nutzen wolle, müsse nach dem »extrem ehrgeizigen Effizienzstandard 40« bauen. »Das ist aber auch extrem teuer. Also macht es kaum einer«, so Metzger. (eg)