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Wenn die Seele leidet: Aktionen für psychische Gesundheit in Tübingen

Tübinger Arbeitskreis widmet sich den psychischen Belastungen von Familien. Großes Programm im Oktober mit Tag der offenen Tür in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Depression
Depressionen und Burnout sind eine Hauptursache von Krankschreibungen und von Berufsunfähigkeit. Foto: Marijan Murat
Depressionen und Burnout sind eine Hauptursache von Krankschreibungen und von Berufsunfähigkeit.
Foto: Marijan Murat

TÜBINGEN. Wenn Eltern psychisch erkranken, geraten Kinder nicht selten in Not. Die gesamte Familie ist betroffen und bedarf der Unterstützung von außen. In Tübingen hat sich deshalb 2021 ein Arbeitskreis (AK) gebildet, der die seelische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Familien in den Blick nimmt. Erste große Aktion: »Der Monat der Seelischen Gesundheit«. Wie breit der AK aufgestellt ist, beweist das Programm. Jeden Tag im Oktober gibt es Veranstaltungen.

Knapp 40 Verbände, Organisationen und Anlaufstellen beteiligen sich. Darunter auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik und die Psychotherapeutische Hochschulambulanz. Letztere stellt in der Familienbildungsstätte Tübingen in der Eisenbahnstraße 11 ab Samstag, 8. Oktober, in einer Ausstellung einen Therapieraum dar. Psychotherapie soll so erlebbar werden.

Ebenfalls am 8. Oktober, dem Aktionstag des Monats, lesen Autorinnen und Autoren sowie Mitarbeitende der Kinder- und Jugendpsychiatrie nonstop von 10 bis 22 Uhr vor dem Tübinger Stadtmuseum in der Kornhausstraße aus dem Buch »Vögel im Kopf – Geschichten aus dem Leben seelisch erkrankter Jugendlicher«. Am Sonntag, 9. Oktober, 11.30 Uhr, gehen Tobias Renner und Gottfried Maria Barth (Leiter und Stellvertreter der Kinder- und Jugendpsychiatrie) der Frage nach, ob Belastungen wie Pandemie und Krieg die Ressourcen von Kinder und Jugendlichen erschöpft haben. Von 13 bis 17 Uhr stellt sich dann die Klinik in einem Tag der offenen Tür vor.

Eine Sonntagsmatinee mit Reinhold Eisenhut, dem ehemaligen Geschäftsführer des Vereins für Sozialpsychiatrie (VSP), gibt es am Sonntag, 16. Oktober, 11 Uhr, im Kino Arsenal. Eisenhut gibt einen Überblick, wie sich der Umgang der Gesellschaft mit psychisch Erkrankten in den vergangenen 50 Jahren verändert hat. Anschließend ist der Film »Der Junge muss an die frische Luft« mit Hape Kerkeling zu sehen.

Das dicke Programmheft beweist, dass es viele Institutionen in Tübingen gibt, die sich für die seelische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Familien einsetzen. »Aber kennen sie sich alle?«, fragt die Tübinger Familienbeauftragte Carolin Löffler. Einer der Beweggründe, weshalb der Arbeitskreis gegründet wurde. Dazu kommt die Beobachtung, dass die psychischen Belastungen von Eltern und Kinder zugenommen haben. Das liege nicht nur an der Pandemie, sondern an den Anforderungen der Leistungsgesellschaft, sagt Löffler. Oft stehen die Erkrankungen dabei in Verbindung mit Armut, betont Ann-Marie Kaiser, Koordinatorin für Kinderchancen der Unistadt Tübingen.

Carolin Schubert vom VSP weiß aus der Praxis, was es bedeutet, wenn Eltern depressiv werden oder unter Persönlichkeits- oder Angststörungen leiden. Die Erfahrungsräume von Kindern werden enger. »Eine Mutter, die Angst vor Menschenmengen hat, wird nicht mit ihrem Kind auf den Weihnachtsmarkt gehen«, nennt sie als Beispiel. Der VSP vermittelt deshalb Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern. Am 8. Oktober stellt sich der Verein in der Familienbildungsstätte vor. (iwa)

 

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JEDER DRITTE ERKRANKT

31 Prozent der Erwachsenen erkranken innerhalb ihres Lebens psychisch, berichtet Carolin Schubert. 36 Prozent der Erkrankten leiden an Depressionen, 26 Prozent an Persönlichkeitsstörungen, 23 Prozent an Psychosen. 18 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind von einer psychischen Erkrankung betroffen. (iwa)