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Wenn Corona wie ein Brennglas wirkt

Beim Webinar »Bildung ist systemrelevant« mit den FDP-Politikern Irene Schuster, Timm Kern und Jens Brandenburg wurde ein »digitaler Hausmeister« für Schulen gefordert

Modelle eines Coronavirus (bearbeitet mit Photoshop)
Modelle eines Coronavirus (bearbeitet mit Photoshop). Foto: Peter Endig/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration
Modelle eines Coronavirus (bearbeitet mit Photoshop).
Foto: Peter Endig/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration

TÜBINGEN. Für die Tübinger FDP-Landtagskandidatin Irene Schuster, als Lehrerin, ist Bildungspolitik das Kernthema ihres Wahlkampfs. In einem Webinar sprach sie mit zwei Parteifreunden aus dem Land, die denselben Schwerpunkt haben zum Thema »Bildung ist systemrelevant«: Mit dem Bundestagsabgeordneten Jens Brandenburg und dem Landtagsabgeordneten Timm Kern.

Laut Irene Schuster wird der Lebensweg eines Menschen maßgeblich durch Bildung bestimmt – die erzielten Abschlüsse und die gesammelten Erfahrungen formen den Menschen. In diesem Webinar sprachen die drei Gesprächspartner darüber, wie sich die Pandemie auf das Bildungssystem auswirkt und welche Herausforderungen sich für das anstehende Jahrzehnt stellen.

»Corona«, sagte Timm Kern gleich zu Beginn, »zeigt wie ein Brennglas die Situation der Gesellschaft.« Positiv für die Bildungspolitik sei, dass niemand mehr am Sinn digitaler Bildung zweifle, der künftig noch mehr Bedeutung zukommen werde. Zudem werde dem Lehrerberuf nun eine größere Wertschätzung entgegen gebracht, ebenso der Schulleitung als Koordinator und Kommunikator.

Irene Schuster forderte die »passgenaue Schule für jedes Kind«. Sie zweifelt an der Sinnhaftigkeit des Zwei-Säulen-Systems aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule, sie hält eine Stärkung der Realschulen für sinnvoll. Außerdem fordert sie einen verbindlichen Orientierungsplan für Kitas – die frühkindliche Erziehung komme in der Diskussion um Bildung oft zu kurz. Ebenso tritt sie für die verbindliche Grundschul-Empfehlung an Viertklässler für weiterführende Schulen ein.

Kern forderte für die künftige Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, die Kooperation mit Eltern müsse darin ein Schwerpunkt werden, ebenso die Vermittlung von digitaler und demokratischer Kompetenz. Zudem forderte er mehr Autonomie für Schulen: Diese sollen, so Kern, ihr Personal selbst aussuchen, ein Fortbildungsbudget erhalten und selbst entscheiden können, ob sie Ganztagsschulen sein wollen.

Kritik an bürokratischen Hürden

Brandenburg forderte gemeinsame verbindliche Bildungsstandards der Länder. Er kritisierte bürokratische Hürden in der Praxis, welche die direkte Unterstützung hemmten. Beispiel Digitalpakt: Fünf Milliarden Euro, verteilt auf fünf Jahre, standen zur Verfügung. Nach einem Jahr, zum 30. Juni 2020, waren lediglich 15,7 Millionen Euro daraus abgeflossen, nur eine Million davon wurden aus Baden-Württemberg abgerufen. Brandenburg forderte, einer Schule, die Bedarf anmelde, müsse umgehend Geld zugehen.

In der Praxis, so Brandenburg, betraf das beispielsweise Personalstellen und digitale Endgeräte für das Kollegium: »Das ist uns auf die Füße gefallen. Die Geschwindigkeit, die nötig wäre, wurde nicht auf die Straße gebracht.« Auch im Bereich Handwerk würden mehr ausgebildete Fachkräfte benötigt. Insgesamt finde Berufsorientierung in der Schule aktuell kaum statt.

Im digitalen Bereich, sagte Timm Kern, sei Baden-Württemberg suboptimal aufgestellt. Nur in Sachsen-Anhalt seien durchschnittlich weniger Schulen an das schnelle Internet angeschlossen. Dem auch für Digitales zuständigen Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) warf Kern ein »katastrophales Projektmanagement« vor und schloss daraus: »Wir brauchen im Land ein Digitalisierungs-Ministerium.«

Im Bereich Datenschutz bräuchten die Lehrer-Kollegen Rechtssicherheit: »Das Land muss seine Schutzfunktion ernst nehmen«, so Kern. Für Unterrichtsplattformen müsse es eine White List für Anwendungen geben. Alle drei waren sich einig, dass Schulen künftig »digitale Hausmeister« einstellen müssten, Personen, die sich um den Netzbetrieb kümmern, damit die Lehrer sich wieder auf ihre Kernkompetenz, das Unterrichten, konzentrieren können.

Kein Konzept für Lockdown

Jens Brandenburg kritisierte Landeskultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) scharf: Sie habe die Zeit im Sommer nicht genutzt, um ein Konzept für einen weiteren Lockdown zu erstellen. Die landeseigenen Server brachen zuletzt mehrfach zusammen. Desgleichen sei bei der Verteilung von Schutzmasken geschludert worden.In Berlin sei man offenbar der Meinung gewesen, dass Susanne Eisenmann »keine geeignete Ansprechpartnerin« für einen geplanten Bundes-Bildungsrat sei. Diesen, bedauerte Brandenburg, hätten die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Wilfried Kretschmann, und Bayern, Markus Söder, verhindert. (mac)