TÜBINGEN. Die Streichliste ist lang, der Inhalt schmerzhaft: Um das Haushaltsloch von 40 Millionen Euro zu stopfen, legt die Tübinger Stadtverwaltung eine Streichliste mit 230 Punkten aus allen Bereiche des öffentlichen Lebens vor. Bekannt war bisher lediglich die Ausdünnung des städtischen Busfahrplans, am Dienstag nannte Oberbürgermeister Boris Palmer weitere Maßnahmen. Darunter sind solche, die namhafte Summen einspielen, andere wiederum sind marginal, werden aber dennoch augenfällig.
Palmer will Personal sparen
Es geht querbeet: Für 3,3 Millionen Euro will Palmer Personal im eigenen Haus einsparen - 60 Stellen (von 2.000) fallen weg - sozialverträglich, wie Palmer betont. Das betrifft alle Bereiche des Verwaltungsapparats. Darunter sind Hausmeister in Flüchtlingsunterkünften, deren Aufgaben gebündelt werden sollen, aber auch eine halbe Stelle in der Grundbucheinsichtstelle, eine halbe Stelle mit der Aufgabe »Gesundheitsförderung für Ältere«, eine halbe Stelle, die »queere Chancengleichheit« garantieren soll und eine ganze Stelle mit dem Titel »Beratungsstelle sexuelle Gewalt«. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Als Beispiel für größere Summen, die allerdings schwer zu beziffern sind, griff Palmer das Bäderkonzept heraus. Es sieht den Neubau eines Hallenbades vor und wäre das einzige wettkampftaugliche 50-Meter-Becken der Region, von dem auch Reutlingen profitieren will. Der Gemeinderat diskutiert seit Jahren darüber, ob man gleichzeitig die beiden alten Hallenbäder sanieren oder ob man sie stattdessen schließen soll. Bisher wird der Neubau plus Weiterbetrieb favorisiert. Palmer: »Ich sage ganz offen dazu: Ich halte es aus finanziellen Gründen nicht für möglich, das neue Bad zu bauen und gleichzeitig die alten zu halten.« Wenn man das neue Bad wolle, werde man die beiden alten aufgeben müssen. Die Mehrkosten des bisherigen Beschlusses seien im Haushalt nicht darstellbar.
Blumenschmuck auf der Streichliste
Auf der Streichliste stehen aber auch Maßnahmen wie der Blumenschmuck, der von Touristen stets hoch gelobt wird. Er soll reduziert werden, was 125.000 Euro spart - mit Ausnahme der Blumen an den touristischen Hotspots Marktplatz und Neckarbrücke. Gleichzeitig sollen öffentliche Toiletten in der Haaggasse und beim Verkehrsverein geschlossen werden. Weitere Maßnahmen, die unmittelbar spürbar sind: Neubürger werden nicht mehr offiziell begrüßt, Altersjubilare erhalten keine Geschenke mehr, die alljährliche Gala für Ehrenamtliche wird gestrichen. Die Schulsozialarbeit soll mit weniger Personal auskommen, was 788.780 Euro einspart; der Zuschuss fürs Zimmertheater wird um 290.000 Euro gestrichen.
Palmer betonte ein weiteres Mal, der Abwärtstrend sei ohne Steuererhöhung nicht aufzufangen. So sollen die Betreuungs- und Verpflegungsgebühren in Kindertageseinrichtigen steigen, was wiederum 1,17 Millionen mehr in die Kasse bringt. 900.000 Euro zusätzlich bringt die Verteuerung des Anwohnerparkens. Welche anderen Steuern und Gebühren Palmer anheben will, war gestern noch kein Thema. Das Haushaltsloch entsteht durch Mehrausgaben im Sozialbereich. Doch die schwächelnde Wirtschaft macht sich bereits bei den Einnahmen bemerkbar: Palmer sprach von möglichen Steuerausfällen in Höhe von sechs Millionen Euro.
40 Millionen-Euro-Loch
»Wenn Sie ein Loch von 40 Millionen stopfen müssen, kommen Sie um solche Maßnahmen nicht herum«, sagte Palmer über die Streichliste, die auf der städtischen Internetseite unter »Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung« im Detail nachzulesen sind. Manche Maßnahmen greifen unmittelbar, andere erst in einem Jahr und nach Bedarf. »Es geht auf breiter Front rückwärts«, fasste Palmer die Lage zusammen. Beim Sparen dürfe es keine Tabus geben. Auch über Klimaschutzmaßnahmen halte er nicht die schützende Hand.
Noch dieses Jahr haben die Fraktionen im Gemeinderat Zeit, sich zu den einzelnen Punkten zu äußern. Das Ergebnis fließt in den Haushalt, der am 30. Januar verabschiedet wird und dem Regierungspräsidium zur Prüfung vorgelegt wird. Am Mittwoch wird parallel dazu der Haushalt des Landkreises verabschiedet. Auch dort klafft ein Loch in der Kasse. Das Defizit sollen sich Kreis und Gemeinden hälftig teilen. Der Bau der Regionalstadtbahn soll zeitlich gestreckt werden. (GEA)