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Was passiert ohne Elite-Status?

Uni Tübingen hofft auf weitere Millionen für Forschung. Kritiker: Erfolg hat auch Schattenseiten

So war’s 2012: Uni-Rektor Bernd Engler und Klinikchef Michael Bamberg (rechts) beim gespannten Warten.  ARCHIVFOTO: MEYER
So war’s 2012: Uni-Rektor Bernd Engler und Klinikchef Michael Bamberg (rechts) beim gespannten Warten. ARCHIVFOTO: MEYER Foto: Jürgen Meyer
So war’s 2012: Uni-Rektor Bernd Engler und Klinikchef Michael Bamberg (rechts) beim gespannten Warten. ARCHIVFOTO: MEYER
Foto: Jürgen Meyer

TÜBINGEN. Es geht um Geld. Viel Geld. Andrea Schaub, Leiterin des Dezernats Forschung, bestätigt: Der Status als Elite-Uni hat Tübingen Millionen an direkter Förderung, aber auch einen Gewinn an Renommee gebracht, der sich auszahlt. 2012 bekam die Uni 45 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, zwei Jahre später waren es mit 85 Millionen annähernd doppelt so viel. Und auch andere Geldgeber wie Stiftungen, Unternehmen und die EU steuerten mehr für Projekte bei.

Aber was passiert, wenn die Uni in der laufenden Exzellenz-Runde aus dem Kreis der Auserwählten rutscht? In der Unispitze ist man optimistisch, hat sich jedoch auch über ein mögliches Scheitern Gedanken gemacht. Schaub stellt klar: »Die Uni würde nicht auf Null zurückfallen.« Das Land hat zugesagt, dass es seinen Teil an der Förderung aufrechterhält. 25 Prozent der erhofften Summen wären damit sicher.

Zudem habe man bei allen Projekten strikt auf Nachhaltigkeit geachtet und sei keine unkalkulierbaren Risiken eingegangen. Als Testfall darf das Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) gelten. Der Folgeantrag fand im vorigen Jahr bei der ersten Prüfung keine Gnade. Die Uni erfülle jedoch die eingegangenen Verpflichtungen.

Ein Scheitern wäre zwar äußerst unerfreulich. Doch die Exzellenz-Initiative habe Impulse gebracht, die über die direkte Förderung hinausreichen. Zukunftsträchtige Forschungsverbünde und Konzepte auf den Weg zu bringen, wirke sich positiv aus. Das hat Schaub auch von anderen Unis gehört, die in den Runden zuvor leer ausgingen.

Zusatzbelastung fürs Personal

Nicht alle sahen die Auswirkungen in so günstigem Licht bei diesem Podium, das die Hochschulgruppe der Gewerkschaften GEW und Verdi und der Uni-Personalrat am Donnerstag organisiert hatten. Cendrese Sadiku von der GEW hätte gerne eine »Entfristungs-Offensive« an den Unis gesehen. »Die Exzellenz-Initiative schafft in erster Linie weitere befristete Stellen.«

An der Uni Tübingen liegt der Anteil insgesamt bei fast 70 Prozent. Anderswo ist er noch höher. Auch die Imboden-Kommission habe kritisiert, dass junge Wissenschaftler die produktivsten Jahre ihres Lebens auf schlecht bezahlten und befristeten Stellen zubringen. »Das könnte auch die Gewerkschaft geschrieben haben.« Viele hangelten sich im Sechs-Monats-Takt von Vertrag zu Vertrag. Positiv vermerkt Sadiku, dass Berlin auf Drei-Jahres-Verträge umstellt.

Weitere Folge der Exzellenz-Initiative, bei der sich alles um die Forschung dreht: »Lehre scheint sich weniger zu lohnen.« Hätte man die Milliarden stattdessen in die Grundausstattung gesteckt, hätten auch andere Bereiche profitiert.

Margrit Paal und Hartmut Blum vom Personalrat sehen weitere Schattenseiten. Das nichtwissenschaftliche Personal – ohnehin sehr beansprucht durch die hohen Studierendenzahlen – sei nicht entsprechend verstärkt worden und müsse mit zusätzlichen Belastungen fertig werden. Auch der Rechnungshof habe kritisiert, dass eine Personalkraft an der Uni 400 Fälle betreuen muss. Im Ministerium sei der Schlüssel eins zu 50, im Landratsamt offenbar eins zu 120. Auch die Forscher selbst seien mit administrativen Aufgaben zugedeckt. »Die Antragsprosa bindet viel Kraft und Energie.«

Selbst wer mit der Uni gar nichts zu schaffen hat, spürt unter Umständen negative Auswirkungen. Die Zahl der Stellen wächst, neue Kräfte suchen in Tübingen und Umgebung nach Wohnungen. Die ohnehin hohen Mieten steigen weiter. Paal: »Ich will die Exzellenz-Initiative nicht verteufeln. Aber bejubeln kann ich sie auch nicht.« (GEA)

 

EXZELLENZ-STRATEGIE

Nur 88 von 195 Anträgen schafften die erste Hürde, Tübingen war fünffach erfolgreich

In der ersten Runde wurde kräftig ausgesiebt. Von 195 Antrags-Skizzen waren 107 den Gutachtern nicht gut genug. Auch der Folgeantrag fürs Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) in Tübingen scheiterte an dieser Hürde.

Unter den 88 verbliebenen Anträgen für Forschungsverbünde, sogenannte Cluster, befinden sich vier eigene aus Tübingen (Maschinelles Lernen: Neue Perspektiven für die Wissenschaft; Förderung einer Integrierten Empirischen Bildungsforschung (FIRE); Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen; Individualisierung von Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen). Gemeinsam mit Stuttgart will man »Verstehen verstehen: Sprache und Text« realisieren.

Jedes Cluster würde mit jährlich zehn Millionen Euro (über einen Zeitraum von sieben Jahren hinweg) gefördert. Die Entscheidung fällt am 27. September. Etwa die Hälfte der Anträge wird abgelehnt werden.

Unis, die eine Zusage für mindestens zwei Cluster erhalten, können sich mit ihrem Zukunftskonzept für den Elite-Status bewerben und dann 15 Millionen Euro zusätzlich im Jahr erhalten. Bisher sind elf Hochschulen in diesem elitären Kreis. Freiburg, Karlsruhe und Göttingen mussten sich 2012 daraus verabschieden. Tübingen kam neu dazu. (-jk)