TÜBINGEN. Unter strengen Auflagen hat der Prozess gegen zwei Polizistinnen wegen versuchten Mordes vor dem Tübinger Landgericht begonnen. Die 40-jährige Mutter zweier Kinder gestand zum Auftakt am Freitag, ihrem Ehemann in der gemeinsamen Reutlinger Wohnung Insulin gespritzt zu haben, um ihn zu töten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr und einer 42 Jahre alten Kollegin versuchten Mord vor. Im Februar hätten sie den Mann, ebenfalls ein Polizeibeamter, vergiften wollen. (Aktenzeichen: 5 Ks 21 Js 4897/19)
Laut Anklage soll die diabeteskranke 42-Jährige ihrer Kollegin und Vertrauten vorgeschlagen haben, dem 52-Jährigen eine Überdosis Insulin zu verabreichen. Das blutdrucksenkende Medikament kann dem Arzt und Gerichtsgutachter Peter Winckler zufolge in hoher Dosierung für jeden Menschen lebensbedrohlich wirken.
Die 40-Jährige nannte Eheprobleme als Motiv. Mit klarer Stimme erzählte sie, dass ihr Mann mit Trennung gedroht habe, sie aus der Wohnung werfen und ihr die Kinder entziehen wollte. Seine Beschimpfungen, Beleidigungen und Erniedrigungen habe sie nicht mehr ausgehalten. Zudem fühlte sich die in Teilzeit Tätige überfordert, weil sie sich allein um Haushalt, Auto, Kinder und Schule habe kümmern müssen. »Das ist mir zu viel geworden«, sagte sie. Der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski entgegnete: »Ihnen ist schon klar, dass die Situation in Hunderttausenden deutschen Haushalten auch so ist?«
Der Anklage zufolge injizierte die Ehefrau dem Opfer drei Milligramm Insulin und gab es als heilungsfördernde Vitaminspritze aus. Zuvor habe sie ihm mit medizinischen Präparaten versetzten Orangensaft verabreicht, um bei ihrem Mann Übelkeit auszulösen.
Das Insulin soll ihre Kollegin per Dienstpost bei der Polizei Esslingen verschickt haben. Die mutmaßliche Komplizin wollte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. Mit Schal und Akten hielt sie ihr Gesicht beim Betreten des Saals verdeckt, unter Tränen verfolgte sie die Verhandlung.
Selbst unkenntlich gemachte Aufnahmen der beiden Angeklagten waren den anwesenden Kamerateams zu Prozessbeginn nicht erlaubt. Begründet wurden die Auflagen mit dem Beruf der Frauen: Inzwischen sitzen die Polizistinnen in Untersuchungshaft. Die Kammer hält ihre Sicherheit dort für gefährdet, sollte sich ihre Identität unter den Mitinsassinnen herumsprechen. »Polizisten haben im Gefängnis kein gutes Leben«, sagte der Vorsitzende Richter.
Der Ehemann hatte der Staatsanwaltschaft zufolge überlebt, weil die gemeinsamen Kinder des Paares den schlechten Gesundheitszustand des Vaters bemerkten. Auf Drängen ihres Sohnes im Teenageralter verständigte die Frau demnach den Notdienst, so dass Rettungskräfte mit Sofortmaßnahmen den Tod des Mannes verhindern konnten.
Das Polizisten-Ehepaar hatte sich während eines Praktikums kennengelernt und 2003 geheiratet. In den Folgejahren war die 40-Jährige mehrfach wegen psychischer Probleme und Alkoholsucht in Behandlung. Hoffnung, dass ihr Vergiftungsplan aufgehen könnte, zog die Polizeibeamtin offenbar auch aus einer Fernsehsendung, die sie im Vorfeld gesehen hatte. Darin sei es um ungeklärte Todesfälle gegangen, und sie habe sich über die unglaublich hohe Zahl gewundert, sagte sie. (dpa)