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Aktuell Forschung

Tübinger untersuchen, wie Menschen miteinander umgehen

Tübinger Neurowissenschaftler aus drei Instituten untersuchen, wie das Gehirn wechselseitige zwischenmenschliche Handlungen erkennt und repräsentiert

Handschlag

TÜBINGEN. Soziales Verhalten beruht auf Interaktion mit anderen. Aber wie nimmt unser Gehirn diese wahr und verarbeitet sie? Bisher haben Psychologen und Neurowissenschaftler vor allem die neuronale Verarbeitung einzelner Handlungen untersucht. Ein Neurowissenschaftlerteam aus drei Tübinger Forschungseinrichtungen konnte nun zeigen, dass im menschlichen Gehirn soziale Interaktionen als zusammenhängende Handlungspaare der interagierenden Partner repräsentiert sind – ein Ergebnis, das unter Umständen die Autismus-Forschung beeinflussen wird.

Tanzen, Händeschütteln, Ballspielen – all diese Aktivitäten beruhen auf zusammenhängenden Handlungspaaren verschiedener Personen, wie Geben und Nehmen oder Werfen und Fangen. Wie verarbeitet das Gehirn solche Interaktionen? Erkennen wir solche Interaktionen bereits dadurch, dass unsere Wahrnehmung die Bewegungen der einzelnen Partner direkt in eine Beziehung setzt? Oder analysieren wir die Handlungen der einzelnen Partner erst kognitiv und belegen sie dann mit einer Bedeutung?

Wenn Geben zum Werfen wird

Eine gemeinschaftliche Studie von Neurowissenschaftlern des Tübinger Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik (MPI BK), des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung (HIH) und des Werner Reichardt Centrums für Integrative Neurowissenschaften (CIN) der Uni Tübingen ist diesen Fragen nun auf den Grund gegangen. Die Forscher verwendeten dazu eine Virtual-Reality-Umgebung, in der eine lebensgroße, dreidimensional animierte Figur teils klar erkennbare Teile von Handlungspaaren, teils Mischbewegungen ausführte.

Sie nutzten in ihrer Untersuchung einen Ermüdungseffekt aus: Unklare Reize werden abhängig von dem, was man zuvor gesehen hat, abweichend interpretiert. Zeigt man zum Beispiel wiederholt ein »Geben« und danach eine unklare Mischung von »Werfen« und »Geben«, so nehmen Probanden die Mischbewegung häufiger als »Werfen« wahr.

Interessanterweise fanden die Forscher diesen Ermüdungseffekt aber nicht nur beim jeweils ersten Teil eines Handlungspaares, etwa wenn »Geben« oder »Werfen« wiederholt gezeigt wurde. Der Effekt trat auch dann auf, wenn zuvor das passende Gegenstück gezeigt wurde, hier also ein »Nehmen« oder »Fangen«.

Offensichtlich reagieren die Neuronen im menschlichen Gehirn, die auf »Werfen« ansprechen, auch auf das passende Handlungsgegenstück »Fangen«. Das Handlungspaar »Werfen-Fangen« wird also gemeinsam im Gehirn repräsentiert. In weiteren Kontrollexperimenten zeigten die Forscher, dass nur Handlungen, die Teil des Handlungspaares sind, den Ermüdungseffekt auslösen. (u)