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Tübinger Student erklärt, warum Libellen die Dinosaurier überlebt haben

Die Larven einer bestimmten und geschützten Libellenart leben vor allem in feuchten und kühlen Quellbächen - dort fressen sie und fressen und fressen. Doch wenn der Bach infolge Trockenheit versiegt, ist das Tier vom Aussterben bedroht.

Auf der Suche nach Libellen: Der Student Bastian Kathan steht an einem Quellbach in einem Tübinger Waldstück. Foto: Murat/dpa
Auf der Suche nach Libellen: Der Student Bastian Kathan steht an einem Quellbach in einem Tübinger Waldstück.
Foto: Murat/dpa

TÜBINGEN. Bastian Kathan hat einen einsamen Job. Im Schnitt jeden zweiten Tag dringt der Student der Evolution und Ökologie tief in die Wälder Tübingens ein, um schließlich einen der 100 Quellbäche zu erreichen, die er kartiert. Um dorthin zu gelangen, muss Kathan nicht selten Dutzende von Metern Steilhang hinab. An den Quellbächen in den Klingen hält er Ausschau nach Larven der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) - einer Libellenart, die besonders sensibel auf den Klimawandel reagiert. Die kleinen Quellen schütten an sich bereits wenig Wasser. Deswegen sind sie direkt vom Klimawandel betroffen, wenn Dürre herrscht.

Die Larven mögen es nämlich kühl und feucht - etwas, was es diesen Sommer nur selten gab. Die Larven der Gestreiften Quelljungfer leben für mehrere Jahre - bis über sechs - in kalten Quellrinnsalen in schattigen Schluchtwäldern, bevor die schwarz-gelben Großlibellen schlüpfen. Entlang von Albtrauf und Schönbuch liegt eine der Regionen, in denen die besonders geschützte Art in Deutschland schwerpunktmäßig verbreitet ist. Doch wie kommt die hoch spezialisierte Libellenart mit den zunehmenden Dürreperioden zurecht? Dieser und weiteren Fragen widmet sich eine Forschungsarbeit am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen.

Die käferähnlichen, bis zu vier Zentimeter großen schwarzen Larven sind an dem Quellbach, den Kathan gerade untersucht, noch so einfach zu finden. »Sie verstecken sich am liebsten in kleinen Hohlräumen entlang der Strömungshindernisse im Schlamm«, sagt Kathan. Der 27-Jährige muss dann schon einmal blind mit dem Finger tasten. Für seine Untersuchungen läuft Kathan erst Bach für Bach ab, sucht sich zehn Probestellen im Wasser und zählt dann sieben Minuten lang die Larven. In der Wissenschaft ist alles standardisiert.

Kathan macht sich für seine Master-Arbeit einen glücklichen Umstand zunutze: Schon vor über 20 Jahren wurden die Gewässer rund um Tübingen intensiv auf Quelljungfern untersucht. Dadurch liegt eine wertvolle Vergleichsbasis vor. Sie erlaubt eine Einschätzung, wie sich Verbreitung und Bestand der Libelle über einen längeren Zeitraum entwickelt haben. Die Forschungsarbeit konzentriert sich laut Universität nicht auf die erwachsenen Libellen, die schwierig zu beobachten sind und keinen direkten Rückschluss auf den aktuellen Fortpflanzungserfolg liefern. Stattdessen sucht Kathan systematisch nach den Larven der Art, und nimmt dazu zwischen Anfang Mai und Ende Oktober seine Proben aus den Quellrinnsalen.

Von der Arbeit erwarten sich die Forscher wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen veränderter Umweltbedingungen auf die Bewohner kühl-feuchter Lebensräume. Die Entwicklungszeit der Larven dauert fünf bis sechs Jahre. »Die Dauer lässt sich dadurch erklären, dass die Temperatur der Rinnsale gering und Beutetiere oft rar sind«, erklärt Kathan. Schlüpft aus der Larve dann die Libelle, stirbt diese nach spätestens zwei bis drei Monaten wieder. Mit etwas Glück erfolgt in diesem Zeitraum die erfolgreiche Fortpflanzung und Eiablage.

Die ersten Libellen gab es laut Kathan schon vor über 300 Millionen Jahren. Seit 200 Millionen Jahren hätten sie sich nicht mehr verändert. »Die Libellen haben die Dinosaurier überlebt, weil sie in verschiedenen Welten leben können, nicht nur an Land, sondern auch im Wasser. Es wäre deshalb doch sehr bedauerlich, wenn die Populationen (...) wegen mangelnden Regens und anhaltender Dürre einfach ausgelöscht werden würden«, sagt Kathan.

Laut dem Naturschutzbund Nabu haben sich die Libellenbestände in Deutschland insgesamt stabilisiert. Dass die Zahl der heimischen Libellenarten sogar zunehme, sei »Zuwanderern« aus dem Süden zu verdanken. Einigen Arten, vor allem den hoch spezialisierten wie der Quelljungfer, gehe es jedoch weniger gut. Quellen seien Biotope, die stiefmütterlich behandelt würden, stellt der Nabu auf seiner Homepage fest. Die Larven der Quelljungfer lebten mehrere Jahre im Wasser und seien auf natürlichen Gewässergrund angewiesen. (GEA)