TÜBINGEN. Nicht jeder Impfstoff ist für alle geeignet. Mediziner der Uni Tübingen haben einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 entwickelt, der speziell ausgelegt ist für Menschen, die an Krebs erkrankt sind oder deren Immunsystem geschwächt ist. Die Tests gehen nun in die Phase II-Prüfung. Dafür suchen die Wissenschaftler noch Studienteilnehmer.
Im Juni dieses Jahres startete am Uniklinikum unter Leitung von Professor Juliane Walz in der Medizinischen Klinik die klinische Erprobung des eigenentwickelten Impfstoffs CoVac-1 gegen SARS-CoV-2 für Patientinnen und Patienten mit einem speziellen Zell-Defekt oder Antikörpermangel. Nach erfolgreichen Ergebnissen der ersten Studienphase wird die Prüfung nun in Tübingen, Frankfurt und Berlin fortgesetzt. Ziel ist, in Patienten und Patientinnen mit Antikörpermangel eine breite und starke T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen SARS-CoV-2 zu induzieren, umso schwere Covid-19-Krankheitsverläufe zu verhindern.
Patienten mit Immunschwäche haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung. Das belegen zahlreiche Untersuchungen aus den vergangenen Monaten. Aktuelle Ergebnisse zeigen zudem, dass diese Betroffenen mit den aktuell zugelassenen Impfstoffen oft keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen. Dies wird insbesondere bei Menschen mit Immunglobulinmangel, zu denen sowohl Patienten mit angeborenem Immundefekt, aber auch an Krebs Erkrankte zählen, beobachtet.
Aus der Krebstherapie
Um das Phänomen der fehlenden Antikörperbildung nach der Impfung zu überwinden, hat das Team um Juliane Walz der Klinischen Kooperationseinheit (KKE) Translationale Immunologie einen Impfstoff entwickelt, welcher hochspezifisch auf die Stimulierung einer zellulären Immunantwort gegen das Coronavirus durch die sogenannten T-Zellen gegen SARS-CoV-2 abzielt. Im Gegensatz zu anderen Impfstoffen aktiviert CoVac-1 dabei die T-Zellen nicht nur gegen das Spike-Protein, sondern auch gegen zahlreiche andere Virusbestandteile, was der Entwicklung von Resistenzen durch Mutanten entgegenwirkt.
Die Idee für den neu entwickelten Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologie. Seit vielen Jahren arbeitet das Team um Professor Hans-Georg Rammensee an der Entwicklung sogenannter Peptidimpfungen. Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, die auf der Oberfläche von Tumorzellen, aber auch auf virusbefallenen Zellen dem Immunsystem, und hier speziell den T-Zellen, präsentiert werden. »Dies ermöglicht dem Immunsystem, fremde und infizierte Zellen zu erkennen und diese zu eliminieren«, erklärt Professor Rammensee.
Peptide für den Impfstoff
Dass die T-Zellen eine bedeutende Rolle bei der Covid-19-Erkrankung spielen, wurde von der Arbeitsgruppe von Professor Walz in mehreren Publikationen belegt. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden im Blut von Probanden nach überstandener Covid-19-Erkrankung diejenigen Peptide identifiziert, die speziell beim SARS-CoV-2-Virus für eine Erkennung und einen Langzeitschutz durch T-Zellen speziell von Bedeutung sind.
»Genau die Peptide, die eine bedeutende Rolle bei der Langzeitimmunität nach natürlicher SARS-CoV-2-Infektion spielen, werden nun in unserem CoVac-1-Impfstoff eingesetzt«, erklärt Juliane Walz. Der Impfstoff wird an der Uniklinik hergestellt. Hier wird auf die langjährige Erfahrung und Expertise bei der Produktion von Impfstoffen für Krebspatienten und -patientinnen zurückgegriffen. (GEA)
STUDIENABLAUF
An der Studie teilnehmen können Patienten und Patientinnen mit angeborenem oder erworbenem B-Zell-Defekt oder Antikörpermangel. Hierzu gehören insbesondere Betroffene mit Leukämie- oder Lymphomerkrankungen, die aufgrund ihrer Erkrankung oder einer Therapie einen sogenannten Immunglobulinmangel entwickelt haben. Die Studie beinhaltet einen Screening Termin, einen Impftermin und sechs Kontrolltermine innerhalb von sechs Monaten. (GEA)