NEHREN. Man könnte es als Zäsur betrachten: Nach zwölf Jahren gab Dorothea Kliche-Behnke den Vorsitz der SPD im Kreis Tübingen ab. Ihrem Rechenschaftsbericht während der Mitgliederversammlung am Freitagabend im Nehrener Gasthof Schwanen folgten stehende Ovationen.
Sie gibt dieses Amt ab, um sich noch stärker auf ein anderes konzentrieren zu können – auf das der stellvertretenden Landesvorsitzenden ihrer Partei. Und das freute auch Sascha Binder. In seinem Grußwort verriet der Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg zudem, dass er zugunsten dieses Termins – im Gegensatz zu Landeschef Andreas Stoch – den Landespresseball sausen lasse. Das wolle sie ihm nächstes Mal nicht durchgehen lassen, antwortete Dorothea Kliche-Behnke: »Ich tanze nämlich sehr gerne!«
Fokus auf Geschlossenheit
Die SPD, so Binder, müsse sich der Frage stellen, wie man Ökologie und Soziales am besten miteinander verbindet. Der Öffentliche Personen-Nahverkehr müsse bezahlbar sein. Er warb für ein 365-Euro-Jahresticket – für jeden Verkehrsverbund im Land. Im Bereich Forschung, Bildung und Innovation habe sein Parteifreund, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, einiges angestoßen. Die Landesregierung hingegen lasse die Hochschulen allein. Scharfe Kritik übte Binder vor allem an Susanne Eisenmann (CDU). Unter der Ägide der Landesbildungsministerin waren vor drei Jahren rund tausend Lehrer-Stellen gestrichen worden – heute würden sie dringend benötigt.
Die SPD gibt sich ein neues Programm – die Ergebnisse der bisherigen Diskussionen, so Binder, sollen ab Januar auf einer Dialog-Tour diskutiert werden. Zeitgleich soll ein Nachwuchsprogramm – mit Einblicken in Gewerkschaften und Medien – anlaufen, das helfen soll, Nachwuchs für die Partei zu rekrutieren. Gleichermaßen wolle man sich bereits auf die Landtagswahl 2021 vorbereiten. Die Bundes-SPD, bedauerte Binder, habe »aus dem Nahles-Rücktritt wenig gelernt.« Nun, forderte er, müsse man wieder über Sachthemen statt über Personen diskutieren. Welches Duo sich künftig auch immer den Parteivorsitz teile, hinter diese beiden müssten sich alle Mitglieder stellen: »Nach der Wahl haben wir die größte Legitimation eines Vorsitzenden seit Jahren. Wir müssen mit ihnen solidarisch umgehen, ob wir sie gewählt haben oder nicht.«
Martin Rosemann, SPD-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Tübingen, erinnerte an den vor wenigen Tagen verstorbenen ehemaligen Landeschef Erhard Eppler. Dieser habe stets das Primat der Politik, nicht des Marktes, vertreten. Dem Markt, so Rosemann, dürfe man nicht die öffentliche Daseinsvorsorge überlassen. Dazu zähle neben der Bildung auch der Wohnraum. Mit der Ansiedlung des Konzerns Amazon im Tübinger »Cyber Valley« habe er zwar Probleme. Letzteres müsse man jedoch als Chance für Stadt und Land sehen. Schließlich wolle man die digitale Zukunft nicht allein China und den USA überlassen, so Rosemann.
Für die Wahl des neuen Führungs-Duos an der Spitze der Kreis-SPD musste die Satzung geändert werden. Dann war der Weg für Bettina Ahrens und Andreas Weber frei – sie wurden mit großer Mehrheit gewählt. Sechs Themen liegen ihnen besonders am Herzen: Die soziale Sicherung, gute Bildung, bezahlbarer Wohnraum, ein sozialverträglicher Klimaschutz, eine soziale Verkehrswende und mehr Europa. Beide betonten, sie wollen in erster Linie erreichen, dass die Partei gerade auch im Kreis wieder geschlossen auftritt.
Des Weiteren wurden gewählt: Florian Burkhardt und Dorothee Mandler (stellvertretende Vorsitzende) sowie Christian Reck (Kassier). Neuer Pressesprecher ist Stephan Klingebiel. Als Beisitzer im Vorstand bestätigt wurden Jonas Letsch, Ute Leube-Dürr, Sascha Hank und Marijana Tomin. Zu ihnen kommen nun, neu gewählt, Linda Voigtländer, Anna Wagner und Florian Zarnetta.
Linda Voigtländer deutete mit einer feurigen und zielgerichteten Vorstellung an, dass sie ein großes politisches Talent mitbringt. (GEA)