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Sanierung auf dem jüdischen Friedhof von Wankheim hat begonnen

Zwei Tage lang wurden die 137 Grabsteine von Hand sehr behutsam und in Absprache mit dem Denkmalamt gereinigt und von Bewuchs befreit.

Steinmetz Sven Ölschläger schließt die Risse in einem Grabstein.  FOTO: STÖHR
Steinmetz Sven Ölschläger schließt die Risse in einem Grabstein. Foto: Ines Stöhr
Steinmetz Sven Ölschläger schließt die Risse in einem Grabstein.
Foto: Ines Stöhr

KUSTERDINGEN-WANKHEIM. »Endlich geschieht etwas gegen den Verfall des jüdischen Friedhofs in Wankheim«, hatte Professor Wilfried Setzler in seinem Vorwort zu einem kulturgeschichtlichen Gutachten von Benigna Schönhagen geschrieben. Bereits 1989 gab es vonseiten des Denkmalamts eine erste Schadenserhebung. Auf die Dringlichkeit der Restaurierungs- und Sanierungsmaßnahmen hatte vor allem der Förderverein für jüdische Kultur Tübingen seit Jahren hingewiesen. Gestern wurden die Arbeiten offiziell aufgenommen.

Zwei Tage lang wurden die 137 Grabsteine von Hand sehr behutsam und in Absprache mit dem Denkmalamt gereinigt und von Bewuchs befreit. »Damit die restauratorische Arbeit überhaupt möglich ist«, betonte Architekt Stefan Schädel. Über den Winter werden dann die fragilsten Steine mit Holzkisten verkleidet, um sie vor weiteren Schäden zu schützen, bevor im Frühjahr das Steinmetz-Unternehmen Aedis eine genaue Bestandsaufnahme macht und die Steine vor allem gegen eindringendes Wasser sichert.

Gratwanderung zur Erhaltung

Finanziert wird das rund 300 000 Euro teure Projekt von den Kommunen Kusterdingen, Tübingen und Reutlingen, den Landkreisen sowie von Landes- und Bundesbehörden. Unterstützung in Höhe von 15 000 Euro wurde von der Stadt Reutlingen am Abend zuvor noch zugesagt, berichtete Werner Kemmler, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins.

Schädel wies auf die Gratwanderung bei der Maßnahme hin. »Wenn wir nichts machen, dann verfallen die Steine, und die Erinnerung an die Menschen gerät in Vergessenheit. Zu viel zu machen, wäre auch ein Fehler, denn wenn die Steine wie neu dastehen, negieren wir die Geschichte, der Charakter des Ortes geht verloren.«

»Wir nehmen keine Rekonstruktionen vor«, betonte der Architekt. »Die Grabsteine sollen ihre Geschichte erzählen, auch von Schändungen, die es Ende der 80er- Jahre gegeben hat. Wir wollen auch das dokumentieren.« Sven Ölschläger demonstrierte an einem Grabstein die anstehenden Sanierungsarbeiten. Es gehe vor allem darum, den Wasserablauf an den Steinen zu kontrollieren, erklärte der Steinmetz und Restaurator. Dafür werden Risse mit einer Mischung aus Quarzmehl, Glaskügelchen und Kieselsol gefüllt. Mit einer Spritze wird die Flüssigkeit bis in die Tiefen des Materials eingebracht, bevor die Oberfläche verschlossen wird.

Die Steine werden so konserviert, dass man mehr als die Reinigung nicht sieht, ergänzt Schrem. »Wir ergänzen nichts, wir bremsen nur den Verfall.« Tatsächlich ist der Friedhof seit 1845 unverändert. Die Steine stammen aus einer Zeit vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Errichtung eines Gedenksteins 1947/48 für KZ-Überlebende.

Landrat Joachim Walter erinnerte an die Pflicht, die Erinnerung an den Holocaust zu bewahren, zu sensibilisieren und antisemitische Entwicklungen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Oberbürgermeister Boris Palmer teilte in seinem Grußwort seinen ganz persönlichen Bezug zur jüdischen Gemeinde. »Mein Großvater väterlicherseits war Jude und konnte 1936 gerade noch entkommen.«

Es habe bis in die 80er-Jahre gedauert, bis man geflüchtete jüdische Mitbürger nach Tübingen einlud. »Viele taten sich schwer zurückzukommen.« Und das nicht nur wegen der Vergangenheit, sondern auch wegen des Umgangs mit der Geschichte in der Gegenwart. »Ich bin froh, dass die Maßnahme endlich umgesetzt wird«, so Palmer sichtlich bewegt.

»Leben ist Begegnung«

Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW), in Israel geboren und aufgewachsen, kümmert sich um 54 jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg. »Sie sind die einzigen Zeugen jüdischen Lebens«, sie zu erhalten, hat er sich zur Aufgabe gemacht.

Die Pflege des eingezäunten Geländes, auf dem der jüdische Friedhof außerhalb des Ortes liegt, haben vor über 30 Jahren der Wankheimer Ortsvorsteher Michael Gassler und seine Frau übernommen. Wie weit der Verfall fortgeschritten ist, sei ihm erst richtig bewusst geworden, als er 20 Jahre alte Bilder der Steine neben die Originale gehalten hat. Er sei gespannt, auf die neuen Erkenntnisse, die sich aus der Restaurierung ergeben.

Um die Bedeutung des Friedhofs hervorzuheben, zitierte Kemmler Martin Buber mit dem Satz: »Alles wirkliche Leben ist Begegnung.« Zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und Natur sowie zwischen den Menschen. All diesen Ebenen könne man auf dem kleinen Friedhof in Wankheim nachspüren. Das Zwischenmenschliche sollen regelmäßige Führungen ermöglichen. (GEA)