TÜBINGEN. Archäologen der Uni Tübingen haben im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren einen seltenen Knochenfund präsentiert. Es handelt sich um die Rippe eines Mammuts – bis zu 35 000 Jahre alt und mit rätselhaften Ritzungen.
Solche Knochen sind oft als Werkzeug verwendet worden – etwa zum Walken von Leder. Da sie aber auch ein guter Ersatz für das in der Eiszeit knappe Brennholz waren, sind sie oft verbrannt worden und relativ selten erhalten geblieben.
Wie Urzeit-Forscher Nicholas Conard und seine Grabungsmannschaft nun im heute erschienenen Jahrbuch »Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg« berichten, wurde in der Welterbe-Höhle Hohle Fels auf der Schwäbischen Alb ein besonderer Fund geborgen – ziemlich groß im Vergleich zu dem, womit die Forscher in der Vergangenheit Schlagzeilen machten. Das Stück ist 44 Zentimeter lang, bei einer Breite von 5,1 Zentimetern und einer Dicke von 2,1 Zentimetern.
Außergewöhnlich sind die Spuren der Bearbeitung, der Nutzung und die Markierungen darauf. Die Enden wurden abgerundet beziehungsweise abgebrochen. Ganz besonders auffällig ist die dickere Kante der Rippe: Sie weist zwei Reihen von Markierungen auf. Eine zeigt 83 und die andere 90 Striche.
An anderer Stelle weist die Rippe weitere 13 schwächere und längere Einschnitte auf. All diese Markierungen sind sehr gut erkennbare, saubere Einschnitte, die mit Sicherheit gezielt platziert wurden. Sie unterscheiden sich in Länge und Tiefe und wurden wahrscheinlich nicht in einem Durchgang eingeritzt.
Die Ausgräber vermuten, dass etwas gezählt wurde. »Aber es ist unbekannt, ob es hier um Jagdbeute, Menschen, Tage, Mondzyklen oder etwas anderes ging«, sagt Conard weiter, »eine Art von Kalender ist zwar naheliegend, aber die Zahlen 83, 90 und 13 ergeben für uns kein klares System. Wir werden uns künftig näher mit diesen Fragen auseinandersetzen.«
»Eine Art von Kalender wäre naheliegend, aber die Zahlen ergeben für uns kein klares System«
Die Mammutrippe wird nun bis Anfang Januar 2019 in Blaubeuren als »Fund des Jahres« ausgestellt. In früheren Jahren haben die Forscher schon die »Venus vom Hohle Fels«, eine vollständige kleine Mammut-Figur aus dem Vogelherd oder Flöten aus Knochen präsentiert.
»Diese Mammutrippe steht in ihrer Interpretation zwischen komplexer symbolischer Bedeutung und einer ganz praktisch orientierten Nutzung im Alltag«, sagt Stefanie Kölbl, geschäftsführende Direktorin des Urgeschichtlichen Museums (Urmu). »Ob wir es hier mit kalendarischen Vermerken, mit Notizstrichen von komplizierten Arbeitsschritten oder mit einem altsteinzeitlichen Spiel zu tun haben, wissen wir nicht. Wir freuen uns aber darauf, mit unseren Besuchern eine spannende Diskussion darüber zu führen, wofür die Reihen aus 13, 83 und 90 Strichen wohl stehen könnten.« (dpa)
EISZEITKUNST AUF DER ALB
Das Urmu liegt inmitten der Steinzeithöhlen, die von der Unesco im Juli 2017 zum Welterbe »Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb« ernannt wurden. Als das Museum für Altsteinzeit in Baden-Württemberg und Forschungsmuseum der Uni Tübingen stellt das Urmu das eiszeitliche Leben der Jäger und Sammler am Rand der Schwäbischen Alb vor 40 000 Jahren vor. Prominentestes Exponat ist das Original der »Venus vom Hohle Fels«. Die Fundstätten sind Sirgenstein, Hohle Fels und Geißenklösterle im Achtal, Vogelherd, Hohlenstein Stadel und Bockstein im Lonetal. (GEA)