MÖSSINGEN-TALHEIM. Dicht bauen, Flächen schonen, günstigen Wohnraum schaffen. Das klingt für viele gut, bis es in der eigenen Nachbarschaft konkret wird. »Heiliger Sankt Florian, verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an«, brachte Talheims Ortsvorsteher Elmar Scherer diese Haltung bei einer Sitzung am Donnerstag auf den Punkt. Mit 30 Personen im Publikum war das Interesse ungewöhnlich groß. Denn gegen das geplante Baugebiet der Stadt Mössingen formiert sich Widerstand: Erklärtes Ziel der Bürgerinitiative »Schützt die Aichhalde« ist, das Vorhaben zu stoppen.
Trotz deutlicher Meinungsverschiedenheiten blieb die Diskussion sachlich, die Stimmung ruhig. Eine Gruppe von acht Anwohnern hat bereits an alle Talheimer Haushalte Flyer verteilt und eine Online-Petition gestartet, die von über 200 Einwohnern unterstützt wird. In den gut 70 Kommentaren setzen sich die meisten für den Erhalt der Natur und des »dörflichen Charakters« ein. Gemeinderätin Claudia Jochen (Linke), die auch gegen die Baupläne gestimmt hatte, kommentierte: »Bevor neue Flächen versiegelt werden, sollten erst die über 350 unbebauten Grundstücke im Stadtgebiet genutzt werden.«
Auf dem 2,2 Hektar großen Gebiet Aichhalde sehen die Pläne der Stadtverwaltung im beschleunigten Verfahren nach Paragraf 13b des Baugesetzbuches 52 Wohneinheiten in zwei- bis dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern sowie 16 Doppel- und 15 Einfamilienhäuser vor (wir berichteten). Insgesamt sind aber auch noch fünf weitere Gebiete in der engeren Wahl, und es ist offen, wo die Grundstückseigentümer mitmachen und welches realisiert wird.
»Die Größe und der Charakter dieses Viertels passen nicht ins idyllische Talheim«, sagte Frank Eichinger von der Bürgerinitiative. Das Baugebiet erscheine optisch wie ein »Fremdkörper«. Ins neue Wohngebiet würden viele Familien mit Klein- und Schulkindern nach Talheim kommen. »Den Kindergärten stehen jetzt schon zu wenige Plätze zur Verfügung«, so Eichinger.
Kritisch sieht die Bürgerinitiative auch die Verkehrsanbindung. Es sei davon auszugehen, dass ein Großteil der Autos über die enge Straße Aichhalde einfahre. Auch die Kirchstraße sei sehr eng und schon jetzt sei ein Durchkommen wegen parkender Autos oft schwierig. Momentan werde die Fläche des Baugebietes für Bio-Landwirtschaft genutzt und biete zahlreichen Pflanzen und Tieren Lebensraum.
Ein großes Problem – das hatte auch die Stadtverwaltung Mössingen bei der Planvorstellung eingeräumt – könnte die Ableitung des Regenwassers darstellen. Die Kanalkapazität ist zu gering, derzeit ist ein Rückhaltebecken in der Diskussion. Eichinger warf Ortsvorsteher Scherer vor, dass er das Gebiet im Gemeinderat selbst als »hässliches Eck« bezeichnet und dennoch dafür gestimmt hatte.
Scherer beteuerte, dass noch nichts entschieden sei, und zeigte zahlreiche Hürden im Verlauf des Verfahrens auf. »Es ist noch nichts verbindlich, und wir haben alles in der Hand.« Dennoch sagte er, dass neue Einwohner erforderlich seien, um die Infrastruktur zu erhalten. »Kleinere und bezahlbare Wohnungen sind gefragt«, erklärte Scherer. Ältere Mitmenschen könnten in der Aichhalde seniorengerechte Wohnungen finden. »Bis das erste Haus gebaut wird, vergehen sowieso zehn Jahre«, sagte Ortschaftsrat Peter Rilling. In der frühzeitigen Beteiligung könnten Bürger nun ihre Hinweise für die weitere Planung einbringen. (GEA)