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Immer mehr studieren Medizin

Tübingen bietet in 14 verschiedenen Richtungen fast 4 000 Studienplätze. Der ärztliche Nachwuchs hat aber klare Vorstellungen, was er will – und was nicht

ARCHIVFOTO: dpa
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TÜBINGEN. An Selbstbewusstsein fehlt es nicht. »Wir sind gut aufgestellt. Wir können uns in vielen Bereichen mit den großen Universitäten wie Berlin oder München messen.« An Belegen für diese Aussage fehlt es Professor Ingo Autenrieth nicht. »In der Exzellenz-Initiative war die Medizinische Fakultät Tübingen zuletzt die erfolgreichste in Deutschland« – ein Beispiel, das der Dekan der Mediziner bei der Jahrespressekonferenz der Uniklinik (wir berichteten) hervorhob.

Dieser Erfolg hat Folgen. Weitere Wissenschaftler werden nach Tübingen kommen, die Räume und Arbeitsplätze brauchen. »Das werden wir meistern«, ist Ingo Autenrieth überzeugt, auch wenn er als Dekan mit der gegenwärtigen Finanzierung von Forschung und Lehre nicht zufrieden ist: »Da liegt vieles im Argen, anders als bei den Kliniken.«

Dabei wächst die Medizinische Fakultät in Tübingen unaufhörlich. Erst jetzt hat das Land weitere 150 Studienplätze geschaffen, davon 30 in Tübingen. Dazu kommen die neuen Studiengänge in Pflege und Hebammenwissenschaft. Mittlerweile zählt die Fakultät 2 215 Ärzte und Wissenschaftler, 119 Professoren und 3 935 Studierende in 14 verschiedenen Richtungen. Die meisten – genau 2 628 – studieren Humanmedizin und weitere 411 Zahnmedizin. Auf Platz drei folgt Medizintechnik (348) vor Neuro- und Verhaltenswissenschaften (131) und Molekulare Medizin (126).

Obwohl es so viele Studienplätze für Humanmedizin gibt, sieht es mit dem ärztlichen Nachwuchs nicht überall gut aus. Eine Umfrage der Fakultät unter den Studierenden des Praktischen Jahrs hat laut Ingo Autenrieth klare Präferenzen ergeben: »Familie ist das Thema Nummer eins. Die künftigen Ärzte wollen in eine Gemeinschaftspraxis und geregelte Arbeitszeiten. In eine Landarztpraxis wollen nur ganz wenige. Wenn Studenten aus der Stadt kommen, wollen sie da auch wieder hin.«

»Mit einer Nachfrage in dieser Qualität haben wir nicht gerechnet«

Deshalb will die Fakultät ein neues Konzept zur Medizinerausbildung mit Blick auf die Versorgung vorlegen. Darin sollen Allgemeinmedizin und Landarztmedizin eine stärkere Rolle spielen als bisher. Vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle des Arztes zu überdenken. »Der Arzt soll ein Gesundheitscoach für den Patienten sein, einer von vielen«, zitiert Autenrieth eine Studentin. Das soll sich im neuen Lehr- und Lernzentrum widerspiegeln, das auf dem Schnarrenberg unterhalb der Medizinischen Klinik geplant ist: Hier soll sich die gesamte Lehre konzentrieren – auch die der neuen Studiengänge Pflege und Hebammenwissenschaft, die mit dem Wintersemester angelaufen sind.

»Wir hatten exzellente Bewerberzahlen, extrem qualifiziert, zu hundert Prozent weiblich«, beschreibt der Dekan den Start bei den Hebammenwissenschaften. »Mit einer Nachfrage in dieser Qualität haben wir nicht gerechnet, die 30 Plätze waren schnell voll.« Nicht ganz so gut war die Nachfrage nach dem Pflege-Studiengang. Hier sind nur elf der dreißig Plätze belegt. »Viele Bewerber haben wieder abgesagt. Hier gibt es eben auch Konkurrenz durch ein Duales Studium«, berichtet Autenrieth.

Die große Frage vieler Bewerber ist, was für ein Beruf, was für eine Tätigkeit auf ein abgeschlossenes Pflegestudium folgen kann. Da gibt es einige Möglichkeiten, versichert Autenieth. Neben der klassischen Pflege gebe es Möglichkeiten im Gesundheitsmanagement, in der Ausbildung des Nachwuchses oder in der Pflegeforschung: »Da gibt es einen großen Nachholbedarf. Wir haben viel Erfahrungswissen und viele tradierte Konzepte. Aber wissen wir auch, ob sie alle zum Nutzen der Patienten sind? Da sind noch viele Studien notwendig.« (GEA)