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Hautärzte-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe

Neun renommierte Hautärztinnen und -ärzte aus der Region sollen zwischen Juli 2005 und Januar 2011 bei ihren Abrechnungen gewerbs- und bandenmäßig die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) betrogen haben. Sie spricht von einem Schaden von 1,3 Millionen Euro. Nun standen die Ärzte erneut vor Gericht, die Staatsanwaltschaft forderte eine Bewährungsstrafe

Das Verfahren gegen neun Dermatologen aus der Region geht morgen in die letzte Runde. Foto: Krause/Fotolia
Das Verfahren gegen neun Dermatologen aus der Region geht morgen in die letzte Runde.
Foto: Krause/Fotolia

TÜBINGEN/REUTLINGEN. Neun Hautärztinnen und -ärzte aus der Region haben sich wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs schuldig gemacht. Dieser Auffassung ist jedenfalls die Erste Staatsanwältin Tatjana Grgic. Heute forderte sie deshalb im Prozess vor dem Tübinger Landgericht für jeden der neun Angeklagten eine Haftstrafe von zehn Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und eine Geldauflage von jeweils 10.000 Euro.

Die Mediziner hatten 1998 in Reutlingen ein Laserzentrum gegründet. Dort wurden in erster Linie mit einem Farbstoff-Laser Feuermale behandelt. Es war eine Apparategemeinschaft, denn für einen einzelnen Hautarzt wäre ein solcher Laser nicht finanzierbar gewesen.

In dem Laserzentrum beschäftigten die angeklagten Hautärzte eine Kollegin, die allerdings keine Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hatte. Sie führte die Laserbehandlungen durch. Um diese Behandlungen mit der KVBW dennoch abrechnen zu können, gaben die Hautärzte vor, die Behandlungen selbst ausgeführt zu haben.

Auch Mehrfachbehandlungen vorgenommen

Außerdem war die Kassenärztliche Vereinigung nur bereit, für die einmalige Laserbehandlung einer einzelnen Hautstelle eines Patienten die Kosten zu erstatten. Die Hautärzte schoben allerdings die Patienten im Laserzentrum von Arzt zu Arzt, womit die einzelnen Hautstellen mehrmals behandelt und mehrmals abgerechnet werden konnten, was sie nicht durften. Der Hintergrund: Die Hautärzte halten die Mehrfachbehandlung einer einzelnen Hautstelle für medizinisch wertvoller, weil so die Feuermale besser verblassen.

Wie die Staatsanwältin erklärte, blieben von den Erstattungen der KVBW 25 Prozent in der jeweiligen Hautarztpraxis und 75 Prozent flossen in das Laserzentrum. »Die Angeklagten haben sich so eine dauerhafte Einnahmequelle verschafft«, meinte die Staatsanwältin. Der KVBW sei ein Schaden von rund 1,3 Millionen Euro entstanden.

Hätte die im Laserzentrum angestellte Hautärztin eine Kassenzulassung besessen, hätten die Angeklagten die Behandlungen nicht so oft abrechnen können. Dadurch, dass die Patienten im Laserzentrum herumgereicht worden seien, hätten die Angeklagten »ein System geschaffen, um zu täuschen und zu verschleiern«. Alle Hautärzte im Laserzentrum hätten davon gewusst und zu diesem System beigetragen. Insgesamt handele es sich um 160 Betrugsfälle.

Allerdings stellte Grgic auch klar, dass alle Laserbehandlungen »gut und tatsächlich erbracht« worden seien. Und die Behandlungen hätten bei den Patienten auch eine deutliche Besserung erbracht. Nur seien sie nicht richtig abgerechnet worden. Die erste Anzeige gegen die Ärzte erfolgte 2010. Anklage wurde wegen der umfangreichen Ermittlungen erst 2014 erhoben.

Schon 2017 kam es zum ersten Prozess

2017 kam es in Tübingen zu einem ersten Prozess, der wegen eines Verfahrens vor dem Sozialgericht in Stuttgart, ausgesetzt wurde. Die Taten liegen teilweise fünfzehn Jahre zurück. Wegen dieser langen Verfahrensdauer sollten deshalb zwei Monate der Strafe als verbüßt gelten, schlug Grgic vor. Allerdings gab sie auch zu bedenken, dass, wenn der Prozess früher über die Bühne gegangen wäre, die Angeklagten möglicherweise eine wesentlich höhere Strafe erhalten hätten. Dadurch wäre womöglich die Approbation der Mediziner in Gefahr gewesen. Dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft gingen Verständigungsgespräche von Gericht, Angeklagten und Staatsanwaltschaft voraus. An deren Ende stand am vergangenen Verhandlungstag der Vorschlag der vorsitzenden Richterin Manuela Haußmann, dass die Angeklagten mit einer Strafe von unter einem Jahr rechnen könnten, wenn sie denn vorher gestehen.

Diese Geständnisse kamen also heute. Die Angeklagten erklärten, dass sie den Schaden wieder gutgemacht hätten. Auch betonten sie, dass es keine Behandlungsfehler gegeben habe und Kassenpatienten »eine Behandlung erhalten haben, die sie sonst nicht erhalten hätten«. Der Prozess wird morgen mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt. Das Tübinger Landgericht will am Nachmittag ein Urteil verkünden. (GEA)