TÜBINGEN. Im Tübinger Gemeinderat hat sich der Spaßfaktor, manche dürften ihn allerdings eher als Nervfaktor empfinden, auf Anhieb verdoppelt. Die Spaßgruppierung »Die Partei« ist nun gleich zweifach im Tübinger Stadtparlament vertreten. Markus Vogt, der für weitere fünf Jahre gewählt wurde, ist nun nicht mehr Einzelkämpfer, sondern hat mit David Hildner, der ihn sogar mit mehr als 300 Stimmen übertraf, einen Gleichgesinnten an seiner Seite. Zur Fraktion reicht es damit noch nicht. Die beiden teilen damit das Los der FDP, die bei zwei Mandaten bleibt, und bei den gleichen, die sie innehaben: FDP-Urgestein Dietmar Schöning und Anne Kreim.
Großer Gewinner der Wahl in Tübingen waren AL/Grüne. Fraktionschef Christoph Joachim freute sich über das »vermutlich beste Wahlergebnis einer grünen Kommunalfraktion in einer Stadt in Baden-Württermberg«. Er versprach, dass man sich »nicht auf den Lorbeeren ausruhen« wolle, sondern sich in den nächsten fünf Jahren »mit großem Engagement, mit Ideen, mit Fantasie und Kraft für Tübingen einsetzen« werde. Oberste Priorität habe weiter der Klimaschutz.
Tübinger Liste legt zu
Die Angst, stellvertretend für die Eskapaden des grünen Oberbürgermeisters Boris Palmer abgestraft zu werden, erwies sich als unbegründet. Mit 34,6 Prozent der Stimmen schnitt die Fraktion so gut ab wie noch nie. Zwei Sitze mehr, nämlich insgesamt 14, sprangen für sie heraus. Vor fünf Jahren mussten AL/Grüne noch einen Verlust von 3,3 Prozentpunkten hinnehmen auf 29,6 Prozent. Dass nicht alles in Butter ist, zeigte sich im Französischen Viertel, das traditionell eine Grünen-Hochburg ist. 53 Prozent gab es dort für die Grünen bei der Europawahl, nur 46 Prozent votierten jetzt aber für AL/Grüne im Gemeinderat.
Zusammen mit der SPD, die ein Mandat einbüßte, kommt Rot-Grün nun auf genau 50 Prozent der Sitze. Im Falle von Stimmengleichheit im Gremium könnte also OB Palmer mit seiner Stimme Rot-Grün zur Mehrheit verhelfen.
Auch der Wahlverlierer lässt sich klar benennen. Die CDU fiel von 21,8 auf 13,3 Prozent und verlor dadurch drei Sitze. Sie hat damit fünf Sitze und damit einen Sitz weniger als SPD und Tübinger Liste. Letztere konnte um einen Sitz zulegen auf sechs Mandate. Die Arbeit der vergangenen fünf Jahre wurde offensichtlich vom Wähler honoriert. Der Wähler entschied sich auch, die neue Partei Demokratie in Bewegung in den Gemeinderat zu schicken, allerdings nur mit einem Mandat, das sich Spitzenkandidatin Sara Da Piedade Gomes holte.
Zulegen konnten auch die Linken. Bisher mit vier Sitzen vertreten, hatten sie gestern lange Zeit bei der Auszählung fünf statt der bisher vier Mandate. Wobei ausschließlich Frauen in der neuen Fraktion sind. Dann durfte die Tübinger Liste über einen weiteren Ratskollegen jubeln, die Linke blieb dagegen bei vier Sitzen. Diese Verschiebung hatte auch noch eine andere Konsequenz. Erstmals hätten sonst die Frauen die Mehrheit im Tübinger Rat gehabt. Jetzt haben beide Geschlechter je 50 Prozent.
Stimmenkönigin wurde die grüne Spitzenkandidatin Asli Kücük mit 32 686. Überhaupt hatte jeder der ersten dreizehn Kandidaten von AL/Grüne mehr Stimmen als der Stimmenkönig aller anderen Gruppierungen. Das war SPD-Fraktionschef Martin Sökler, der 17 394 Stimmen einsammelte. (al)
STADT TÜBINGEN
Von den 68 499 Wahlberechtigten gaben 48 477 ihren Stimmzettel ab. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 70,8 Prozent. Das vorläufige Ergebnis: Grüne: 34,6 Prozent (+5,0), 14 Sitze SPD:13,9 (-2,8), 6 Sitze Tübinger Liste: 13,9 (+1,1), 6 Sitze CDU: 13,1 (- 8,7), 5 Sitze Linke: 11,2 (+1,6), 4 Sitze FDP: 5,7 (+1,0), 2 Sitze Die Partei: 4,1, (+1,8), 2 Sitze Demokratie in Bewegung: 2,6, 1 Sitz AfD: 0,9