REUTLINGEN. Das Medieninteresse war groß. Sehr groß. Zumindest vor der Verhandlung im Reutlinger Arbeitsgericht am gestrigen Dienstagabend – während des Termins hielt sich die Anwesenheit von Medienvertretern in überschaubaren Grenzen. Worum es ging? Eine Tübingerin hatte gegen Oberbürgermeister Boris Palmer geklagt.
Der Hintergrund: Die Mitarbeiterin der Tübinger Stadtverwaltung (in Elternzeit seit 2017) hatte gegen ihren Arbeitgeber geklagt, weil sie sich für einen Posten als Sekretärin im Vorzimmer von Palmer beworben hatte – und abgelehnt wurde. Das Ganze geschah vor rund einem Jahr.
Ablehngrund Affäre?
Eine gewisse Brisanz erhielt die Geschichte dadurch, dass die Frau behauptete, der Grund für die Ablehnung sei eine Liebesbeziehung gewesen, die sie vor acht Jahren mit Boris Palmer gehabt habe. Pikanterweise ist sie auch noch mit Gernot Stegert liiert, dem Chefredakteur des in Tübingen ansässigen Schwäbischen Tagblatts.
Differenzen zwischen Stegert und Palmer seien allgemein bekannt. Aber: All diese persönlichen Dinge haben nach den Worten von Ulla Speier, Fachabteilungsleiterin Personal bei der Stadt Tübingen, keine Rolle beim Auswahlverfahren für die Stelle in Palmers Vorzimmer gespielt.
Die Ablehnung beruhe vielmehr darauf, dass die Bewerberin sich im Vergleich mit fünf anderen nicht als die mit der besten Qualifikation herausgestellt habe, so Speier. Ebenfalls in die Bewertung mit eingeflossen sei, dass die jetzige Klägerin nicht Vollzeit habe arbeiten wollen. Gleichzeitig aber verlangte sie eine höhere Eingruppierung – für die es keine Grundlage gegeben habe, so die städtische Stellungnahme. Palmer selbst sei zwar auch am Bewerbungsverfahren beteiligt gewesen, aber eben nur als eine Person unter mehreren, so Rechtsanwalt Dr. Rüdiger Gaenslen als juristischer Vertreter der Stadt. Im Vorfeld hatte die Stadtverwaltung beantragt, die Klage in allen Punkten abzuweisen.
Warum die Frau sich überhaupt für solch eine Stelle, im Vorzimmer des ehemaligen Geliebten, beworben hatte – das blieb diffus und kaum verständlich. Sie warf Tübingens OB vor, er könne »Privates und Geschäftliches nicht trennen«. Deshalb, so hatte sie es in einem Schreiben an die Stadt formuliert, wolle sie die Stelle auch gar nicht antreten. Auf eine Höhergruppierung wollte sie aber nicht verzichten. Ihr Rechtsanwalt Benjamin Onnes meinte, dass diese Formulierung juristisch nicht besonders ausgefeilt gewesen sei. Die Klägerin sagte hingegen, dass sie sehr wohl eine Halbtagsstelle angenommen hätte. Allerdings hätte Palmer dafür sagen müssen, dass er »Privates und Geschäftliches« trennen könne. Wirklich verständlich wurde nicht, warum sich die Frau überhaupt auf diese Stelle beworben hatte.
Dennoch forderte Onnes Schmerzensgeld. Aus den Akten zu dem Verfahren sei eindeutig erkennbar, dass seine Mandantin nur wegen der persönlichen Beziehung zu Palmer benachteiligt worden sei. Das sei ehrenrührig, so der Anwalt.
Dabei missachtete er allerdings, dass die Einstellung eine Auswahlkommission getroffen hatte und nicht Palmer allein, wie Speier betonte. 20.000 Euro forderte Benjamin Onnes.
Ulla Speier musste schwer schlucken, wollte schlussendlich auch nicht auf einen Vergleich eingehen, den die Richterin vorgeschlagen hatte: zehn Prozent des Betrags, also 2.000 Euro.
Gaenslen zeigte sich nicht ganz abgeneigt, den Vorschlag anzunehmen, um »das Ding einfach von der Backe zu haben«. Doch Speier lehnte ab. »Wir wollen, dass an der Stadt nichts hängen bleibt und die Sache voll geklärt wird«, sagte sie. Damit wurde »das Ding« von Richterin Marion Adebahr an die nächste Kammer verwiesen. Der neue Verhandlungstermin ist am 26. Januar 2023. (GEA)