KUSTERDINGEN-JETTENBURG. 50 Jahre ist es her, dass Männer lange Haare trugen und Frauen weite Kleider mit Blumenmuster. Freie Liebe und Räucherstäbchen, friedliche Demonstrationen und Drogenkonsum waren Teil der berühmten 68er-Bewegung, der sich viele junge Menschen in der Hoffnung anschlossen, die Welt zum Besseren ändern zu können.
Im Jettenburger Dorfgemeinschaftshaus findet der Gedanke des Hippietums nun erneut Anklang. In einer Inszenierung des Stücks »Hair« nimmt der Musicalchor Anything goes das Publikum mit schrillen Outfits und Peace-Zeichen an den Wänden mit ins New York der 1960er-Jahre.
»Wir wollten uns an eine größere Sache wagen«, erklärt Vorstandsmitglied Barbara Stern. Mit humorvollen Elementen nähert sich der Chor unter der musikalischen Leitung von Stefanie Schmid und Regie von Regina Greis selbstbewusst einem Thema, dessen Ernst unverkennbar ist.
Zwei ausverkaufte Vorstellungen
Als einer von vielen jungen Männern jener Zeit muss sich der wortgewandte Claude Bukowski (Claus Fritz) einer Musterung unterziehen, um seine Eignung zum Kriegsdienst unter Beweis zu stellen. In einem Park lernt er eine Gruppe obdachloser Hippies kennen, die in den Tag hinein leben und pazifistische, systemkritische Ansichten vertreten. Es entsteht eine Freundschaft, die sich im Falle der hübschen Sheila (Barbara Stern) sogar zu einer Liebesbeziehung entwickelt. Dennoch entschließt er sich, nicht wie seine neuen Freunde den Wehrdienst zu verweigern, sondern für Amerika in den Vietnamkrieg zu ziehen.
An den zwei Abenden, an denen das Musical in Jettenburg aufgeführt wird, ist der große Saal im Dorfgemeinschaftshaus bis auf den letzten Platz besetzt, insgesamt rund 360 Zuschauer verfolgen gespannt das Drama, das sich im Laufe des Stücks entwickelt. Durch eine List gelingt es Claudes Freund Berger (Thomas Nieß) nämlich, Claudes Posten in der Kaserne einzunehmen, um ihm einen kurzen Moment der Freiheit zu ermöglichen. Doch genau zu diesem Zeitpunkt erhält seine Einheit den Marschbefehl, wodurch der überzeugte Pazifist Berger sich gezwungen sieht, nun anstelle seines Freundes in den Krieg ziehen zu müssen. Mit berührenden ergänzenden Liedern wie John Lennons »Imagine«, das für einen friedvollen Umgang miteinander plädiert, oder Bill Withers »Ain’t No Sunshine« über den schmerzvollen Abschied von seiner Geliebten, unterstreicht der Musicalchor das Schauspiel auf bewegende Art und Weise.
»Die Mischung aus Gesang und Choreografie ist die große Herausforderung an der Sache«, erklärt Chorleiterin Stefanie Schmid. Nach einem knappen Jahr voller Gesangsstunden und Proben ist der tosende Applaus, mit dem der Musicalchor belohnt wird, mehr als nur Entschädigung für alle Mühen.
Das nächste Projekt steht nach einer kurzen Erholungspause nämlich bereits vor der Tür. Es gibt dafür wohl keinen größeren Ansporn als die begeisterten Gesichter der zahlreichen Zuschauer, sind sich die Schauspieler einig. (GEA)