KUSTERDINGEN/KIRCHENTELLINSFURT. Deswegen läuft jetzt das Anhörungsverfahren. Einen Monat lagen die Planunterlagen in Kirchentellinsfurt, Kusterdingen und Tübingen-Lustnau aus, ebenso viel Zeit blieb danach für Stellungnahmen. Im Regierungspräsidium wurde eine einzige Einwendung aktenkundig. Inhaltlich ging’s darin um den Schutz aller Verkehrsteilnehmer während der Bauzeit. Das wird weitergemeldet. Zuständig fürs Planfeststellungsverfahren ist das Eisenbahn-Bundesamt.
Bereits vor knapp einem Jahr hat die Bahn im Kusterdinger Klosterhof die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei ging’s um die Behinderungen für Fahrgäste, möglichen Baulärm und um den Naturschutz. Damit die Bürger wissen, was sich in absehbarer Zeit am Waldrand tut.
Letzter Altarm des Neckars
Die Zugstrecke zwischen Tübingen und Kirchentellinsfurt muss Anfang 2021 für den Austausch der Brücke einen halben Monat komplett gesperrt werden. Die weiteren Arbeiten werden das ganze Jahr in Anspruch nehmen. Die Lärmbelästigung bei nächtlichen Arbeiten liege unter dem Grenzwert von 35 Dezibel, hieß es. Die nächsten Kusterdinger Wohngebiete (Teile der Mozartstraße und der Jahnstraße) sind etwa 400 Meter entfernt oberhalb und durch den Wald getrennt. Die ersten Kirchentellinsfurter Häuser sind 900 Meter Luftlinie entfernt.
Dass die Brücke über die Blaulach mitten in einem Naturschutzgebiet liegt, davon bekommen die Fahrgäste im Zug nichts mit. Und auch die Nutzer des Neckartalradwegs, die in einigem Abstand vorbeiradeln, nehmen keine Notiz davon.
Nur Radler und Spaziergänger, die den Neckarweg des Schwäbischen Albvereins entlang kommen, sehen ein kleines Schild, das auf den Schutzstatus aufmerksam macht. Das rund zwölf Hektar große Areal liegt unterhalb des Hangwaldes. Es handelt sich um einen letzten, bis heute erhaltenen ehemaligen Altarm des Neckars. Ein schmales Band, das 1990 unter Schutz gestellt wurde, weil es sich noch in einem sehr ursprünglichen Zustand befindet.
Der Bahn-Anschluss hat vermutlich sogar dafür gesorgt, dass die Natur sich ausbreiten konnte. Ohne die Trasse wäre die Versuchung groß gewesen, den Arm zuzuschütten und landwirtschaftlich zu nutzen, haben Wissenschaftler festgestellt. Die Fische und andere Lebewesen haben sich an die vorbeifahrenden Züge gewöhnt. Das Auen-Gebüsch wächst ungestört, ebenso der Gütel mit Sumpfpflanzen.
Sein Wasser erhält der Altarm von der Blaulach, die aus dem Tübinger Schindhau kommt, sowie von einigen Hangquellen und Mini-Bächen. Nur bei großem Hochwasser stattet der Neckar dieser Stelle heute noch einen Besuch ab, doch dies ist selten. Vor gut 50 Jahren soll die Blaulach noch kurz vor der Ramslache in den Neckar gemündet sein. Heute versickert sie im Neckarkies. Der Altarm verläuft noch als trockene Rinne bis auf die Höhe der Pumpstation von Kusterdingen. Im Schutzgebiet selbst schwankt der Wasserstand, aber vollständige Austrocknung ist noch nie beobachtet worden. (GEA)