TÜBINGEN. »Macht endlich eine Politik, die uns Bauern eine Zukunft gibt«, forderte Stefan Klett, der die dritte »Wir haben es satt!«-Kundgebung am Samstag auf dem Marktplatz moderierte. Der Schäfer und Vorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Baden-Württemberg (AbL) appellierte an den Bund und das Land, die gegenwärtige Agrarpolitik zu ändern. »Wir brauchen mehr Wertschätzung für kleinbäuerliche Betriebe und faire Preise für eine faire Landwirtschaft. Einfach so weitermachen wie bisher, das können sich weder die Bäuerinnen und Bauern, noch die Gesellschaft leisten«, sagte er unter großem Beifall.
Unter den rund 2 500 Teilnehmern der Kundgebung waren neben Landwirten, Natur- und Tierschützern oder Imkern auch zahlreiche Verbraucher. Die Landschaftsplanerin Laura Bäumler etwa findet es wichtig, die Forderungen der Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen und kam deshalb zur Demonstration. »Ernährung ist ein zentrales Thema, das wir nicht ignorieren können und ich möchte auch wissen, wie etwas produziert wird. Unser Essen, das wir ja jeden Tag brauchen, darf nicht immer nur billiger und noch billiger sein.«
Unter den Rednern war auch Franziska Wolpert. Die Geoökologin war vor drei Jahren Mitinitiatorin der ersten »Wir haben es satt!«-Demonstration in Tübingen, die seither parallel zur Großdemonstration in Berlin anlässlich der Grünen Woche stattfindet. »Wir wollen nicht mehr länger hinnehmen, dass die Landwirtschaft Tiere zur Ware mechanisiert und dass ein Krieg gegen die Natur tobt«, sagte sie.
Mutig sein und Bäume pflanzen
Besonders wichtig sei auch, die Bodenerosion durch unsachgemäße Bearbeitung landwirtschaftlicher Flächen zu stoppen, so Wolpert. »Wir verlieren momentan zehnmal mehr an Boden, als wir gewinnen.« Eine wirksame Maßnahme sei, Bäume und Sträucher zu pflanzen. »Wir müssen Obstbaumplantagen pflanzen, die profitabel sind, so können wir Boden aufbauen. Seid mutig, übernehmt Verantwortung, pflanzt Obstbäume«, mahnte sie.
Als weiteres Vorstandsmitglied der AbL schilderte Mareike Artlich, was es für sie bedeutet, auf einem Hof zu arbeiten. »Ich bin dann ganz nah am Boden, an den Pflanzen und Tieren dran«, sagte die Landwirtschaftsmeisterin. »Erst heute Morgen war ich dabei, als ein Kälbchen auf die Welt kam. Das zu erleben ist unbeschreiblich.« Die Arbeit, die ihr Freude mache, sei jedoch schlecht bezahlt. »Lebensmittel sind viel zu billig«, sagte auch sie. » Wir müssen deutlich machen, dass gutes Essen seinen Preis hat und das Geld dafür soll endlich auch bei uns ankommen.«
Landwirtschaft gewinnbringend zu betreiben, sei eine große Herausforderung, so Artlich. »Ein Grund ist, dass Fördermittel immer noch nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, statt gezielt zu fördern. Aber auch kleinbäuerliche Betriebe brauchen Planungssicherheit und Verbindlichkeit, um sinnvoll zu investieren und in die Zukunft zu schauen.« Wie man heute mit Rindern und Kühen umgehe, sei unanständig, so Rupert Ebner vom Vorstand Slow Food Deutschland. Es gebe Kühe, die im ganzen Leben kein Gras sehen. »Dafür müssen sie 12 000 Liter Milch geben und können kaum noch stehen.« Danach zogen die Demonstranten angeführt durch Klett auf dem Traktor durch die Innenstadt und rund um den alten Botanischen Garten. Lautstark machten sie ihren Unmut über die Agrarpolitik deutlich. (GEA)
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VERANSTALTER UND UNTERSTÜTZER
Bauern, die konventionell oder biologisch ihre Höfe bewirtschaften
Die Organisatoren der 3. Tübinger »Wir haben es satt!«-Demo sind der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Nabu Baden-Württemberg sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Baden-Württemberg. In dieser Arbeitsgemeinschaft sind seit über vierzig Jahren Bäuerinnen und Bauern aktiv, die konventionell oder biologisch ihre Höfe bewirtschaften und sich für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft einsetzen.
Ziele sind unter anderem die Stärkung regionaler Strukturen, Vielfalt auf den Höfen oder gerechte Preise für die Produkte. Die drei Hauptveranstalter werden von 25 weiteren Verbänden und Initiativen sowie Privatpersonen aus Landwirtschaft und Gesellschaft unterstützt, unter anderem von Xäls, der ökologischen Genossenschaft Neckar-Alb, dem Marktladen Tübingen und dem Obstgut Bläsiberg, der Arche Schäferei, dem Aktionsbündnis "Rettet die Bienen, von Pro Biene sowie von Slow Food Stuttgart und dem Greenteam Schwabenpower. (raw)