GOMARINGEN. Flüchtlinge – vor zwei Jahren war dies ein brandaktuelles Thema und täglich auf den Titelseiten der Zeitungen. Aber wie sieht es heute aus? Sind die Flüchtlinge integriert? Diese Frage stellte ich mir und habe mich deshalb mit meinem Opa, Ulrich Maag, darüber unterhalten. Er ist im Flüchtlingsnetzwerk Gomaringen tätig.
Wie kamst Du dazu, Dich für Flüchtlinge zu engagieren?
Ulrich Maag: Als vor zwei Jahren die vielen Flüchtlinge kamen, war dies eine sehr schlimme Situation, die niemand wollte. Um sie nicht noch zu verschlimmern, wollte ich meinen Teil dazu beitragen, dass sich die Flüchtlinge hier integrieren können. In Gomaringen erwarteten wir im Januar 2016 rund 30 neue Flüchtlinge, die in einer Sammelunterkunft untergebracht werden sollten und das Netzwerk suchte weitere neue Unterstützer.
Wie sah diese Tätigkeit konkret aus?
Ulrich Maag: Zunächst organisierten wir uns in ein Empfangsteam und eine Gruppe, die gebrauchte Möbel, Kleidungsstücke und Haushaltswaren besorgte. Die Flüchtlinge kamen ja nur mit einer Tasche oder einem Koffer an. Wenn möglich, sollten einige Netzwerkmitglieder Paten für Familien oder Einzelpersonen werden. Ganz wichtig ist auch das Sprachteam, um die neu Ankommenden möglichst effektiv beim Deutschlernen zu unterstützen.
Und welche Aufgabe hast Du am Anfang gemacht?
Ulrich Maag: Am Tag nach der Ankunft zeigten wir der Gruppe den Weg zur Schule, zum Einkaufen, zu Ärzten, zur Apotheke und so weiter. Außerdem stellten wir ihnen unser »Schublädle« vor, den Second-Hand-Laden der Kirchengemeinde. Dieser ist für sie inzwischen eine wichtige Einkaufsquelle und außerdem ein wöchentlicher Treffpunkt mit Kaffee und Tee bei herzlicher Atmosphäre. Dabei kam ich gleich in Kontakt mit einem Jungen meiner späteren Patenfamilie. Ich besuchte ein- bis zweimal die Woche meine Patenfamilie und beantwortete natürlich auch Fragen aller übrigen Flüchtlinge. Und das waren viele, denn sie bekamen laufend Post und Formulare von allen möglichen Ämtern. Ein Flüchtling winkte mir immer lachend mit einem Umschlag zu, wenn er neue Post bekam, und rief: »Deutschland: Papiera, Papiera!« Das Ziel war, dass täglich zwei bis drei Netzwerker in der Sammelunterkunft zur Verfügung stehen sollten. Zusätzlich begleitete ich meine Familie zu Behördengängen wie beispielsweise zum Landratsamt und zum Jobcenter.
Und wie sieht die Situation jetzt aus?
Ulrich Maag: Inzwischen hat meine Familie eine kleine gemeindeeigene Notwohnung bekommen. Ich besuche sie dort regelmäßig, bespreche alle Fragen bezüglich Kindergarten und Schule, begleite sie zu Elternabenden und helfe bei den Hausaufgaben, auch bei den Eltern, denn sie besuchen sehr intensive Sprachkurse an der VHS Tübingen.
Wie findest Du, dass sich die Integration in Gomaringen entwickelt?
Ulrich Maag: Mein Eindruck ist sehr positiv. Durch die vielen Besuche in der Sammelunterkunft kennen ich und alle anderen Netzwerkmitglieder viele Flüchtlinge und man begrüßt sich freundlich auf der Straße. Diese Freundlichkeit der Flüchtlinge überträgt sich auf viele andere Gomaringer, die nicht im Asylnetzwerk aktiv sind. Sehr guten Zuspruch hatten wir auch beim Vereinsfest im Schlosshof, bei dem Flüchtlinge ihre landestypischen Speisen angeboten haben. Auch halfen einige Flüchtlinge ehrenamtlich beim Bau unseres neuen Spielplatzes mit. Zum Asylcafé beim CVJM-Heim treffen wir uns 14-tägig, zu dem alle Flüchtlinge und Gomaringer eingeladen sind. Erstmals gab es in diesem Jahr einen interkulturellen Garten, bei dem drei Flüchtlingsfamilien und sechs deutsche Familien gemeinsam Zwiebeln und Kartoffeln anbauten und jede Familie noch ein kleines Beet zum Anbauen von Gurken, Paprika, Mangold, Bohnen und Tomaten nutzte. Nach getaner Arbeit saßen wir immer noch einige Zeit gemeinsam gemütlich zusammen.
Und wie geht es jetzt weiter?
Ulrich Maag: Wichtig ist, dass die Flüchtlinge weiter intensiv Deutsch lernen. Die meisten möchten unbedingt arbeiten, dafür sind gute Sprachkenntnisse notwendig. Hier können wir alle helfen, indem wir Flüchtlinge freundlich ansprechen und sie zum Deutsch sprechen ermuntern. Ich versuche auch, meine Hilfe etwas einzuschränken, um mehr Selbstständigkeit in meiner Flüchtlingsfamilie zu fördern. Die Paten sind für die Flüchtlinge eine große Hilfe, denn im Laufe der Zeit hat sich ein großes Vertrauen aufgebaut und sie wissen, dass sie nicht ausgegrenzt sind. Leider haben nicht alle Neuangekommenen Paten, was sehr schade ist. Falls jemand Lust hat, mitzuhelfen und eine Patenschaft zu übernehmen, wäre das toll. (ZmS)
Annika Maag, HAP-Grieshaber-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9a