Logo
Aktuell GEA-Serie

So leben, lieben, arbeiten und wohnen Familien im Land

Weniger Menschen trauen sich vor den Altar, dafür mehr vor den Scheidungsrichter. Frauen bekommen weniger und später Nachwuchs. Zum Auftakt unserer Familienserie ein Überblick über Zahlen, Daten und Fakten zu den Familien im Land.

Zahlen, Daten und Fakten zu den Familien im Land. Foto: Jenko Ataman/Adobe Stock
Zahlen, Daten und Fakten zu den Familien im Land.
Foto: Jenko Ataman/Adobe Stock

REUTLINGEN. Wie leben und lieben, arbeiten und wohnen Familien in Baden-Württemberg? Die neue GEA-Serie »Familienzeit« startet mit einem Blick in die Statistik. Denn die Zahlen zeigen, wer die Norm setzt und wer aus der Reihe tanzt. Die Durchschnitts-Schwäbin etwa heiratet mit 35 Jahren, bekommt anderthalb Kinder und verfügt über 3 500 Euro netto im Monat. Doch es gibt regionale Unterschiede, wie Miriam Steinrücken herausfand.

Hochzeiten und Scheidungen

Heiraten war in den 1950er-Jahren »in«. 1952, im Gründungsjahr von Baden-Württemberg, wurden elfmal so viele Ehen geschlossen wie geschieden, rechnet Werner Brachat-Schwarz vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg vor. Heute liegt die Zahl der Eheschließungen nur noch dreimal so hoch – obwohl seit 2017 auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten können. Damit hat die Institution Ehe im Laufe der vergangenen Jahrzehnte an Bedeutung verloren. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Während im Enzkreis stolze 48 Prozent der Bevölkerung verheiratet sind, beträgt der Anteil in Heidelberg nur 32 Prozent. Der Landkreis Reutlingen liegt mit 45 Prozent leicht über dem Landesdurchschnitt (44 %).

Die Baden-Württemberger heiraten nicht nur weniger, sondern auch später: War 1980 der frischgebackene Gatte im Schnitt 28,9 Jahre alt, traut er sich heute erst 8,8 Jahre später mit 37,7 Jahren. Bei Frauen verhält es sich ähnlich: Das Heiratsalter stieg im gleichen Zeitraum von 25,6 auf 35,0 Jahre (+ 9,4 Jahre). Dabei bleibt der Altersunterschied erhalten: Die Frauen sind um 3,3 beziehungsweise 2,7 Jahre jünger als die Männer.

Langfristig sind die Ehen instabiler geworden: Von den Paaren, die sich 1960 die ewige Treue schworen, ließen sich nur 15 Prozent scheiden. Bei denjenigen, die 1995 den Bund fürs Leben eingingen, könnte die Scheidungshäufigkeit dagegen 40 Prozent betragen. Es zeichnet sich jedoch eine Trendwende ab: Von den im Jahr 2005 geschlossenen Ehen ging bislang nur jede vierte in die Brüche.

Auch hier kommt es zu regionalen Abweichungen: In Württemberg halten mehr Ehen als in Baden. Das könnte daran liegen, dass es dort mehr Haushalte mit Kindern und mehr Ehen mit Wohneigentum gibt. Beides hält Paare laut Soziologen zusammen.

Kinder

Die Geburtenrate in Baden-Württemberg durchlief in den letzten Jahrzehnten Höhen und Tiefen: 1952 bekam jede Frau im Schnitt 2,1 Kinder, sagt Statistik-Experte Brachat-Schwarz. Bis Mitte der 1960er-Jahre stieg der Wert auf 2,6. Der Babyboom fand mit Erfindung der Pille jedoch ein jähes Ende: Innerhalb eines Jahrzehnts ging die Geburtenrate drastisch zurück und lag fast 40 Jahre lang bei 1,4 Kindern pro Frau – um dann zwischen 2014 und 2016 erneut anzusteigen. Seit diesem Zeitpunkt verharrt die Geburtenhäufigkeit bei knapp 1,6 Kindern je Frau.

Innerhalb des Landes variiert die Geburtenrate: Spitzenreiter im Jahr 2020 war der Landkreis Tuttlingen mit 1,84 Kindern je Frau. Der Landkreis Reutlingen lag mit 1,64 Kindern über dem Landesdurchschnitt (1,55). Am Ende der Skala rangieren die Stadtkreise Heidelberg (1,06), Karlsruhe (1,21) und Stuttgart (1,25). Das hat viele Gründe: Auf dem Land ist die Kinderzahl höher als in der Stadt. Außerdem bekommen Frauen mit höherem Bildungsniveau weniger Kinder. Eine Rolle spielen dürfte auch der regional unterschiedliche Anteil ausländischer Frauen. Sie brachten 2020 1,89 Kinder zur Welt, Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit nur 1,48 Kinder.

Baden-Württembergische Mütter bekommen dem Statistischen Landesamt zufolge nicht nur weniger, sondern auch später Kinder: Zählten sie 1980 bei der Geburt des Nachwuchses noch 26,7 Jahre, sind es 2020 bereits 31,9 Jahre.

Familien mit Kindern machen laut Mikrozensus 30 Prozent der Lebensformen im Südwesten aus, kinderlose Paare 27,9 Prozent und Alleinstehende 42,1 Prozent. Wenn Kinder da sind, heiraten Paare meist (22,2 %); unverheiratet bleiben nur 1,9 Prozent. Alleinerziehende machen 5,8 Prozent aus, die Mehrheit sind Frauen (4,9 %).

Geld

Papa geht zur Arbeit, Mama auch – aber weniger: Das ist das Standardmodell in baden-württembergischen Familien. Bei der Hälfte der Paare mit Kindern arbeitet der Vater in Vollzeit und die Mutter in Teilzeit (52,4 %). Diesen Wert misst der Mikrozensus für das Jahr 2019. Für die Variante »Alleinverdiener mit Hausfrau« entscheidet sich nur noch ein Viertel (22,8 %). In jeder sechsten Familie (16,3 %) arbeiten beide Eltern in Vollzeit.

Dabei hat der Anteil erwerbstätiger Mütter in den letzten 30 Jahren beständig zugenommen. 2019 liegt er bei 61,3 Prozent. Allerdings sinkt die Erwerbstätigkeit der Mütter mit steigender Zahl der Kinder: Mit einem Kind arbeiten 63,1 Prozent der Frauen in einer Partnerschaft, mit drei Kindern nur noch 50,8 Prozent. Werden die Kinder älter, steigt die Erwerbsquote wieder: Mit einem Kind unter drei Jahren arbeiten 30,5 Prozent der Frauen, zwischen drei und sechs Jahren 64,3 Prozent und zwischen sechs und zehn Jahren 73,2 Prozent. Denn dann besucht der Nachwuchs Kindergarten oder Schule.

Die reduzierte Arbeitskraft der Mütter sorgt für ein geringeres Familieneinkommen: Verdient ein kinderloses Paar 2019 im Schnitt 4 307 Euro netto im Monat, stehen Familien mit einem Kind nur 3 572 Euro (83 %) zur Verfügung. Von Armut bedroht sind vor allem alleinerziehende Eltern und kinderreiche Familien: Beträgt bei zwei Erwachsenen mit Kind die Armutsgefährdungsquote nur 9,5 Prozent, steigt sie bei einem Erwachsenen mit Kind auf 37,5 Prozent. Ab dem dritten Kind klettert das Risiko auch bei Paaren auf 29,3 Prozent. Kinderarmut ist entsprechend nach wie vor ein Problem: 153 738 Kinder in Baden-Württemberg leben 2020 der Bundesagentur für Arbeit zufolge in Hartz-IV-Familien.

Wohnen

Baden-Württemberg ist das Land der Häuslebauer: Über die Hälfte der Haushalte (55,2 %) besitzt dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge im Jahr 2019 Wohneigentum. Damit liegt der Südwesten über dem Bundesdurchschnitt (47,6 %). Paare mit zwei Kindern (77,8 %) leben am häufigsten im Eigenheim, Alleinstehende (38,5 %) am seltensten.

Single-Haushalte sind auf dem Vormarsch, mittlerweile machen sie nach Angaben des Statistischen Landesamts rund 40 Prozent aus. Je größer die Wohngemeinschaft, desto seltener: 32 Prozent der Wohneinheiten werden von zwei Personen, 13 Prozent von drei Personen und 15 Prozent von vier oder mehr Personen belegt. Entsprechend hat sich die Haushaltsgröße landesweit auf einen Schnitt von 2,2 Personen eingependelt. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Während in Städten wie Stuttgart weniger Menschen (2,0) zusammen wohnen, versammeln sich im ländlichen Raum wie dem Alb-Donau-Kreis mehr Menschen (2,4) auf einem Fleck.

Wer Familie hat, wohnt auf weniger Raum: Stehen Singles 76,9 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, begnügen sich Familien mit drei Kindern mit 28,2 Quadratmetern pro Kopf. Der Landesschnitt liegt bei 58,8 Quadratmetern je Person. (GEA)