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Aktuell Familienserie

Wenn die Kinder plötzlich erwachsen sind

Ingrid Walter-Kühfuss und ihr Mann Frank Kühfuss begleiten ihre Töchter Victoria und Johanna beim Flüggewerden

Victoria ist rot, Johanna grün, Mama blau, Au-Pair Natascha schwarz: Ingrid Walter-Kühfuss mit einem Wochenplan für die damals n
Victoria ist rot, Johanna grün, Mama blau, Au-Pair Natascha schwarz: Ingrid Walter-Kühfuss mit einem Wochenplan für die damals noch zehn Jahre jüngeren Kinder. FOTO: PFISTERER
Victoria ist rot, Johanna grün, Mama blau, Au-Pair Natascha schwarz: Ingrid Walter-Kühfuss mit einem Wochenplan für die damals noch zehn Jahre jüngeren Kinder. FOTO: PFISTERER

METZINGEN. Johanna und Victoria sind aus dem Gröbsten raus. 19 ist die eine, 16 die andere Tochter von Ingrid Walter-Kühfuss und Frank Kühfuss. Doch: »Sie brauchen noch Unterstützung und Begleitung«, sagt die Mutter. »Es ist anders als bei jüngeren Kindern, aber nicht weniger anstrengend.« – »Wie lange darf ich wegbleiben? Wann das erste Mal bei einer Freundin übernachten?« Darum ging’s bei der einen. »In welche Richtung kann es beruflich gehen? Kannst Du mal über meine Bewerbung gucken?« Themen der anderen. Immer wieder geht es bei allen Beteiligten ums Loslassen, das Finden eigener Wege. Ums Vertrauenhaben, dass das gelingt. Und um Freiräume.

Die haben auch Ingrid Walter-Kühfuss und Frank Kühfuss seit Gründung ihrer Familie und bis heute immer gesucht, gefunden und einander gewährt. Trotz Beruf. »Wir arbeiten beide gerne und finden Erfolg in unserem Job.« Die studierte Pädagogin hat sich in der Elternzeit selbstständig gemacht, lange als Coach für Führungskräfte gearbeitet. Seit zwei Jahren leitet sie das für Business-Management-Institut in Reutlingen. Konnte sie als Selbstständige flexibler für die zunächst noch jungen Kinder da sein? Jein. Zwar konnte sie die Zeit freier einteilen, doch Seminare wollen vorbereitet termingerecht gehalten sein. Das fordert Zeit und Energie.

»Trotz Mehrfachbelastung kam ein Flowgefühl: Ja, ich hab’s geschafft!«

Und: »Auch wenn die Kinder krank waren, musste ich morgens vor der Gruppe stehen.« Mit 50 bis 70 Prozent hat sie gearbeitet, als die Kinder sie noch stärker brauchten, ihr Mann spannte mit seiner 100-Prozent-Arbeit in einem Ingenieurbüro das finanzielle Sicherungsnetz. Auch wenn die Mehrfachbelastung spürbar war, kam Ingrid Walter-Kühfuss in »ein Flowgefühl: Ja, ich hab’s geschafft!« Um gut über die Runden zu kommen, setzte die Familie stark auf Vernetzung. »Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf«, zitiert die 55-Jährige ein altes afrikanisches Sprichwort. Oma, Opa und Freunde gehören dazu. »Wir haben die Kolpingsfamilie mitgegründet.« In der weitere junge Familien zusammenkamen, gemeinsame Ausflüge machten und sich bei Bedarf gegenseitig entlasten konnten. Sie und ihr Mann haben auch immer wieder Au-Pairs gefunden. Die waren wichtig, denn als Johanna und Victoria klein waren, gab es noch kaum Krippenplätze in der Stadt; Victoria kam mit zwei Jahren in eine der ersten Kitas.

Systematisch hat Ingrid Walter-Kühfuss früher Wochenpläne geschrieben: Kinder und Betreuende bekamen Farben, und immer war klar, wer wo war, abgeholt oder ins Bett gebracht werden musste und wer dafür zuständig war. Victoria hatte Rot und mittwochs Kindersportschule von 14 bis 15 Uhr, Johanna in Grün donnerstags ab 16.30 Uhr Zumba, Au-pair Natascha in Schwarz dienstagabends Sprachkurs. Mama in Blau am Dienstag: »Bringe euch ins Bett«. Über vielen Tagen: »Mama Seminar« mal hier, mal dort.

Heute wünscht die 55-jährige sich und der Gesellschaft, »dass in Führungspositionen viel mehr Teilzeit möglich sein sollte. Ich kann auch eine gute Führungskraft sein, wenn ich nur drei volle Tage pro Woche da bin.« Das betrifft die Flexibilität der Firmen. Aber auch die Flexibilität der Väter: »Ich bin dafür, sie in die Erziehungsarbeit einzubinden.« Den Teilzeitarbeitenden bleibt mehr Zeit für den so wichtigen Kind-Eltern-Kontakt und auch für sich selbst. »Es ist wichtig, dass sie sich beruflich und persönlich weiterentwickeln«, findet die erfahrene Trainerin. Genau wie die Ehe Raum braucht, die bei ihr und Frank Kühfuss schon seit 22 Jahren währt. Nähe und Weite sind in ihrer Familie angesagt. Auf Trekkingtouren, Bike-Trails oder im gemeinsamen Urlaub in Griechenland. (pfi)