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Aktuell Körperschmuck

Was Eltern von Tattoos halten und wie sie sich auf die Karriere auswirken

Tattoos und Piercings: Von den einen werden sie scharf verurteilt, von anderen als Körperschmuck bezeichnet. Wie genau verändern junge Menschen heutzutage ihren Körper? Wie reagieren Familienangehörige auf solche Veränderungen? Und haben Tattoos und Piercings Auswirkungen auf den Erfolg einer Stellenbewerbung? Der GEA hat bei den Reutlinger Tätowierern Kai Schlegel und Andrea Ragona sowie Detlef Werneck von der IHK Reutlingen nachgefragt.

Vor allem junge Menschen »verschönern« ihren Körper heutzutage mit Tattoos und Piercings. Aber auch Ältere finden ihren Weg ins
Vor allem junge Menschen »verschönern« ihren Körper heutzutage mit Tattoos und Piercings. Aber auch Ältere finden ihren Weg ins Studio. FOTO: DAVIT85/ADOBE STOCK
Vor allem junge Menschen »verschönern« ihren Körper heutzutage mit Tattoos und Piercings. Aber auch Ältere finden ihren Weg ins Studio. FOTO: DAVIT85/ADOBE STOCK

REUTLINGEN. »Tattoos und Piercings gehören ganz klar zum aktuellen Lebensgefühl«, sagt Kai Schlegel, Tätowierer und Piercer im Room.26 Tattoo und Piercingstudio Reutlingen. Vor allem junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren lassen sich tätowieren oder piercen, vereinzelt würden aber auch Ältere den Weg ins Studio finden: »Unsere Kundschaft ist wirklich super vielseitig.«

Auch kommen immer mal wieder Minderjährige in das Reutlinger Studio. »Die meisten sind zwischen 14 und 15 Jahre alt. Einige haben eine Einverständniserklärung von den Eltern dabei und andere versuchen ihr Glück mit einem falschen Ausweis«, so Schlegel. Wer sich tätowieren oder piercen lassen möchte, muss mindestens 18 Jahre alt sein.

- Warum wollen Menschen eigentlich ihren Körper verändern?

Der 27-jährige Tätowierer und Piercer hat mehrere Antworten: »Tattoos und Piercings sind heutzutage Schmuck für den Körper. Es geht einerseits darum ihn zu verschönern und andererseits gibt es diesen weltweiten Trend, den vor allem junge Menschen mitmachen wollen.«

Kai Schlegel ist Tätowierer im Raum.26. Er tätowiert schon seit sechs Jahren.  FOTO: INCI
Kai Schlegel ist Tätowierer im Raum.26. Er tätowiert schon seit sechs Jahren. Foto: Berya Yildiz Inci
Kai Schlegel ist Tätowierer im Raum.26. Er tätowiert schon seit sechs Jahren.
Foto: Berya Yildiz Inci

Dabei müssten Tattoos nicht mal mehr tiefsinnige Bedeutungen haben. Im Vordergrund stehe die Ästhetik. »Als ich vor ungefähr sechs Jahren mit dem Tätowieren angefangen habe, war der Grund für ein Tattoo oft mit einer sehr persönlichen Geschichte verbunden. Jetzt ist das eher selten der Fall«, so Schlegel. Vor allem viele frischgebackene Volljährige würden direkt nach ihrem 18. Geburtstag ins Studio gehen, um sich ein Tattoo oder einen Piercing stechen zu lassen. Die Meisten sogar mit groben Motivideen, so Schlegel.

»Wir führen mit allen Kunden vorab ein Gespräch und klären das Motiv und die zu tätowierende Stelle. Vor allem mit Jüngeren machen wir das ausführlicher«, so Schlegel. In einem solchen Gespräch wird dann beispielsweise auch der zukünftige Berufswunsch besprochen, denn die Tätowierer wissen: »Nicht in jedem Job sind auffällige Tattoos beispielsweise an den Händen oder dem Hals oder Piercings gerne gesehen.« Jungen Menschen ohne konkreten Berufswunsch raten sie sogar explizit von einem schwer abdeckbaren Tattoo ab. »Sonst mischen wir uns eher weniger ein«, meint Schlegel.

- Was genau lassen sich junge Menschen tätowieren und an welchen Stellen lassen sie sich piercen?

Von der Lippe bis zum Tattoo im Genitalbereich sei alles möglich. In seiner Laufbahn hat Schlegel selber viele verschiedene Tattoos gestochen: »Aktuell sind es vor allem Schmetterlinge, Rose und verschiedene Muster.« Was ihn aber erstaunt hat: »Wirklich viele Menschen mit einer Rechts-Links-Schwäche lassen sich gerne ein ›L‹ auf die linke Hand und ein ›R‹ auf die rechte tätowieren.« Auch was Piercings angeht erkennt Schlegel einen klaren Trend: »Vor allem das Ohr, die Nase und die Brustwarzen werden oft gepierced.«

- Wie reagieren Familienangehörige und andere Menschen auf Tattoos und Piercings?

Von vielen – meist »konservativen und älteren« – Menschen werden Tattoos und Piercings verurteilt und mit Kriminalität verbunden, meint Schlegel. »Meine Eltern und Großeltern finden es zum Glück nicht schlimm, dass ich tätowiert bin«, ergänzt er und bezeichnet seine Erziehung als »frei« und »locker«. Schlegel habe aber auch schon oft mitbekommen, dass Familienangehörige von Kunden dem Thema Tattoos skeptisch gegenüberstehen: »Viele wollen ihr erstes Tattoo deswegen erst mal an einer versteckten Stelle haben.« Im Laufe der letzten Jahre habe sich aber die Einstellung gegenüber dem Körperschmuck geändert. »Es wird immer offener mit dem Thema umgegangen, das haben wir bestimmt auch Stars wie beispielsweise David Backham zu verdanken, die weltweit trotz Volltätowierung als Vorbilder gelten.«

Weniger locker ist die Familie Andrea Ragona, Tätowier-Azubi im Room.26, mit seinem ersten Tattoo umgegangen: »Ich habe mir damals mein erstes Tattoo extra auf den Rücken stechen lassen, damit es nicht jeder sehen kann.« Da er damals 15 Jahre alt war, ging das nur mit der Einverständniserklärung seiner Mutter – sein Vater wusste davon nichts. »Jetzt wissen viele aus meiner Familie, dass ich tätowiert bin. Meine Eltern haben mir nur einen Rat gegeben: Keine Tattoos auf Hand und Hals«, so der 22-Jährige.

Andrea Ragona ist Tätowier-Azubi im Raum.26. Er hat sich sein erstes Tattoo mit 15 Jahren  stechen lassen.  FOTO: INCI
Andrea Ragona ist Tätowier-Azubi im Raum.26. Er hat sich sein erstes Tattoo mit 15 Jahren stechen lassen. Foto: Berya Yildiz Inci
Andrea Ragona ist Tätowier-Azubi im Raum.26. Er hat sich sein erstes Tattoo mit 15 Jahren stechen lassen.
Foto: Berya Yildiz Inci

Es seien eher ältere Personen, außerhalb der Familie, die Kommentare zu ihren Tattoos abgeben: »Da hört man dann Sachen wie: ›Wie kannst du dich nur so verschmutzen?‹«, sagt Schlegel. »Oder: ›Du bist doch eigentlich so schön‹«, ergänzt Ragona. Aufgrund ihrer Tattoos wurden die beiden unter anderem auch schon für Kriminelle gehalten, sagen sie.

- Haben Tattoos und Piercings Auswirkungen auf den Erfolg einer Stellenbewerbung?

»Da gibt es keine richtige und eindeutige Antwort, weil es immer situationsbedingt betrachtet werden muss«, sagt Detlef Werneck, Leiter Zentrale Dienste und Kundenmanagement der Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen. Der 59-Jährige hat oft mit Bewerbern zu tun und ist sich einer Sache sicher: »Die Sichtweise auf Tattoos und Piercings hat sich in den letzten Jahren stark verändert und verändert sich immer weiter.«

Detlef Werneck, Leiter Zentrale Dienste und Kundenmanagement der IHK Reutlingen, hat  oft mit Bewerbern  zu tun.  FOTO: PRIVAT
Detlef Werneck, Leiter Zentrale Dienste und Kundenmanagement der IHK Reutlingen, hat oft mit Bewerbern zu tun. Foto: Privat
Detlef Werneck, Leiter Zentrale Dienste und Kundenmanagement der IHK Reutlingen, hat oft mit Bewerbern zu tun.
Foto: Privat

Früher seien Tattoos – vor allem sichtbare – auch Thema im Bewerbungsgespräch gewesen: »Wenn beispielsweise ein Bewerber mit Nasenstecker kam, wurde er direkt gefragt, ob er diesen bei besonderen Terminen oder Kunden rausnehmen würde. Heutzutage wird über kleine Nasenpiercings eher hinweg gesehen.«

Es sei eine Frage der Seriosität, wie auffällig Tattoos sein dürfen. Werneck kann sich vorstellen, dass beispielsweise in der Modebranche ein Halstattoo als etwas äußerst Positives und Ästhetisches angesehen werden kann. »In der Bank könnte das anders sein.« Die Akzeptanz von Tattoos und Piercings sei branchenabhängig.

Denn in einigen Bereichen könnte sichtbarer Körperschmuck nicht nur unseriös wirken, sondern auch gefährlich werden. »In der Medizin oder der Gastronomie beispielsweise ist das auch eine Frage der Hygiene«, so Werneck. Vor allem »normale Tattoos«, beispielsweise an Beinen, seien unbedenklich, weil sie leichter abzudecken sind. »Trotzdem sollte sichtbarer Körperschmuck keinesfalls davon abhalten, eine Bewerbung abzusenden.« Bei einem Bewerbungsgespräch können deutlich sichtbare Tattoos, und Piercings durchaus irritierend wirken, aber »im Grunde stehen immer die Qualitäten der Bewerber im Vordergrund«. Wernecks Rat: »Den zukünftigen Arbeitgeber ganz offen auf Tattoos und Piercings ansprechen. Vor allem, dass man diese beispielsweise im Sommer sehen könnte. Das zeigt Eigeninitiative, Offenheit und hinterlässt bestimmt einen guten Eindruck.« (GEA)

 

SO GEHT’S WEITER

»Wohlbefinden von A bis Z« – Was tut dem Menschen gut? Was macht er gerne? Darum geht es in der nächsten Folge am Freitag, 30. September. Alle bisher in der GEA-Familienserie erschienenen Beiträge sind in einem Online- Dossier nachzulesen. www.gea.de/familienzeit