STUTTGART. Als energischer Befürworter einer Impfpflicht hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann den zeitlichen Verzug bei der geplanten Einführung massiv kritisiert. Die Ansage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass die Impfpflicht bis Ende Februar kommen könne, sei nicht zu halten, monierte der Grüne am Dienstag in Stuttgart. »Das sehe ich als nicht mehr realistisch an. Wir verlieren sehr viel Zeit.« Das Coronavirus nehme keine Rücksicht auf Sitzungspläne von Bundestag und Bundesrat.
Keine Lockerungen: Mehr als 50.000 auf der Straße
Kretschmann warnte vor der hoch ansteckenden Omikron-Variante, die absehbar dazu führen werde, dass auch im Südwesten wieder mehr Menschen ins Krankenhaus müssten. Deswegen könne es derzeit auch keine Lockerungen geben. Indes schwellen die Proteste gegen die Corona-Politik im Südwesten deutlich an. Am Montag gingen so viele Menschen gegen Impfpflicht und Corona-Einschränkungen auf die Straße wie an keinem anderen Tag zuvor: Mehr als 50.000 Menschen, hieß es aus dem Innenministerium.
Kretschmann hält Verfahren im Bundestag für zu lahm
Kretschmann sagte, die Ministerpräsidenten, die alle für die Impfpflicht seien, hätten die Bundesregierung und den Bundestag vor Weihnachten aufgefordert, einen Zeitplan vorzulegen. »Das ist nicht erfolgt bisher. Ich bin mit dem ganzen Verfahren unzufrieden«, sagte Kretschmann. Er sehe nicht, dass die Debatte im Bundestag mit den vereinbarten Gruppenanträgen zügig in die Gänge komme. Über eine Impfpflicht soll der Bundestag voraussichtlich in freier Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin entscheiden. Am Wochenende hatten Politiker von SPD und Grünen im Bund Erwartungen gedämpft, es könne einen raschen Beschluss im Bundestag geben.
Ruhe vor dem Sturm? Inzidenz steigt wieder
Das Land will sich für die Omikron-Variante wappnen, auch wenn die Grenzwerte bei der Belastung der Kliniken derzeit nicht überschritten werden. »Der Rückgang der Infektionen ist gestoppt, die Inzidenz steigt wieder«, sagte Kretschmann. In anderen Bundesländern könne man sehen, »dass sich Omikron in Deutschland rasant verbreitet und die Infektionszahlen explosionsartig in die Höhe schießen«. Dem trage die neue Corona-Verordnung und die neue Quarantäne-Regelung, die von diesem Mittwoch an gelten, Rechnung.
Künftig ein Muss: FFP2-Maske in Geschäften
Demnach müssen Erwachsene beim Einkaufen eine FFP2-Maske tragen. Die Landesregierung wandelte die bisherige Soll-Bestimmung in der neuen Corona-Verordnung in eine Pflicht um. Betroffen von der FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen sind neben Geschäften auch die Gastronomie, Museen und Bibliotheken. In Bussen und Bahnen reicht nun doch weiter eine OP-Maske, diesen Bereich regelt der Bund. Auch in Büros und Betrieben muss keine FFP2-Maske getragen werden.
Quarantäne wird verkürzt
Aus Sorge vor Omikron will das Land an der Alarmstufe II mit härteren Einschränkungen festhalten, die zum Beispiel die Schließung von Clubs und Discos umfasst. Für die Quarantäne gibt es ebenfalls neue Regeln: Sie wird für Kontaktpersonen genauso verkürzt wie die Isolierung von Corona-Infizierten. Damit das öffentliche Leben nicht zusammenbricht, hatten Bund und Länder am Freitag vereinbart, die Quarantäne-Regeln zu ändern.
Nach der Änderung müssen Kontaktpersonen gar nicht mehr in Quarantäne, wenn sie eine Auffrischungsimpfung haben, frisch doppelt geimpft sind, geimpft und genesen oder frisch genesen sind. Als »frisch« gilt ein Zeitraum von bis zu drei Monaten. Für alle Übrigen sollen Isolation oder Quarantäne in der Regel nach zehn Tagen enden. Nach sieben Tagen kann man sich zudem mit PCR- oder Antigentest freitesten lassen. Bisher gilt für Kontaktpersonen einer mit Omikron infizierten Person eine strikte Quarantäne von 14 Tagen - freitesten ist nicht möglich.
Die Landesregierung will zudem an den Ausnahmen für ungeimpfte Schülerinnen und Schüler festhalten. Die 12- bis 17-Jährigen können auch im Februar mit ihrem Schülerausweis als Testnachweis ins Café, Kino oder zum Fußballtraining. (dpa)