Logo
Aktuell Politik

Bad Uracher Cem Özdemir wird Doppel-Minister

Die rot-grüne Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz ist komplett. Bildungsminister Cem Özdemir übernimmt jetzt auch das Bildungsministerium.

Bundeskabinett
Agrarminister Özdemir und Verkehrsminister Wissing übernehmen zusätzliche Aufgaben in der rot-grünen Minderheitsregierung. Foto: Kay Nietfeld/DPA
Agrarminister Özdemir und Verkehrsminister Wissing übernehmen zusätzliche Aufgaben in der rot-grünen Minderheitsregierung.
Foto: Kay Nietfeld/DPA

BERLIN. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) wird in der Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Ampel-Aus auch das Bildungsministerium übernehmen, Verkehrsminister Volker Wissing zudem das Justizressort. Sie springen für Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Justizminister Marco Buschmann aus der FDP ein, die beide ihren Rücktritt erklärt hatten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Zuvor hatte der »Stern« berichtet.

Damit ist die rot-grüne Minderheitsregierung komplett. Zuvor war bereits bekanntgeworden, dass der bisherige Wirtschaftsberater von Scholz (SPD), Jörg Kukies, Nachfolger des entlassenen Finanzministers Christian Lindner (FDP) wird. Der Sozialdemokrat Kukies ist derzeit Staatssekretär im Kanzleramt und gilt als einer der wichtigsten Berater von Kanzler Scholz. Er ist sein Mann für Wirtschaft und Finanzen und verhandelt für ihn die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel. 

Özdemir: »Gute Bildung ist von überragender Bedeutung«

Scholz hatte am Mittwoch nach einem beispiellosen Zerwürfnis Lindner entlassen, der in diesen Minuten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue seine Entlassungsurkunde erhalten soll. Kukies erhält dann seine Ernennungsurkunde. Scholz, der Lindner mehrfachen Vertrauensbruch und Kleinkariertheit vorgeworfen hat, wird wohl dabei sein - jedenfalls ist das so üblich. 

Von den bisherigen vier FDP-Ministern hatte nur Wissing erklärt, trotz des Bruchs der Ampel-Koalition bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben zu wollen. Er tritt aber aus der FDP aus.

»Wir stehen in der Verantwortung, den Übergang zu Neuwahlen so geordnet und verlässlich wie möglich zu gestalten«, schreibt Özdemir im sozialen Netzwerk X. Vizekanzler Robert Habeck habe ihn nach Abstimmung mit dem Bundeskanzler gebeten, bis zu Neuwahlen die Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu übernehmen, schreibt der Bad Uracher weiter. Eine gute Bildung und die Sicherung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes seien für die Zukunft Deutschlands »von überragender Bedeutung«. Er wolle dazu seinen Beitrag leisten. »Ich habe mich - auch nach enger Abstimmung mit den grünen Kabinettsmitgliedern - entschieden, diese Aufgabe anzunehmen. Ich will mich in dieser schwierigen Lage der Verantwortung für unser Land stellen«, so Özdemir. Sein Amt als Landwirtschaftsminister werde er wie bisher fortführen. »Wir werden weiter entschieden daran arbeiten, Perspektiven und Planungssicherheit für die Betriebe anzubieten, unnötige Bürokratie abzubauen und die Weichen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft stellen.«

Zuvor hatte sich Özdemir am Rande einer Auslandsreise nach Sambia zum Ampel-Aus geäußert. »Mann muss zur Ehrlichkeit sagen: Alle haben einen Anteil daran, dass das Erscheinungsbild der Ampel-Koalition in den letzten Jahren so war, wie es ist, wie es öffentlich ja auch scharf kritisiert wird«, sagt einer in einem auf seinem Instagram-Kanal veröffentlichten Video. »Ich halte nichts davon, das jetzt nur einer Seite zuzuschieben.« Trotzdem sagt er auch eindeutig in Richtung FDP: »Eine Kraft hat sich besonders hervorgetan durch das permanente Nein zu allem.« Für ihn sei der Bruch deshalb nicht völlig überraschend.

»Ich habe ja auch schon einmal Jamaika-Verhandlungen federführend für meine politische Gruppierung führen dürfen. Die sind am Ende gescheitert. Man weiß, woran es gescheitert ist, an wem es gescheitert ist.« Ich bedauere es sehr, dass »eine Kraft« nicht Willens oder in der Lage war, über ihren Schatten zu springen, die Interessen des Landes über die Interessen von Partei und Personen zu stellen. »Ich will aber ausdrücklich einzelne Mitglieder der Bundesregierung in der FDP ausnehmen.« Womit wohl auch Volker Wissing gemeint ist. »Jetzt geht es darum: Deutschland muss stabil reagiert werden. Das ist der Anspruch, den die Bürgerinnen und Bürger an uns haben. Zu Recht.« Özdemir ist sich sicher, dass jetzt die Spitzen der Koalition die richtigen Entscheidungen treffen werden, den Weg für vorgezogene Bundestagswahlen freizumachen. »Und dann - bin ich ganz fest davon überzeugt - wird sich in der Mitte unseres Landes eine stabile Mehrheit finden, die unser Land in schwierigen Zeiten führt.« Alle seien jetzt aufgefordert, die Interessen der eigenen Partei, der eigenen Person hinten anzustellen und die Interessen des Landes in den Vordergrund zu stellen.

Konzentriert sich Özdemir bald auf die Landtagswahl?

Der Grünen-Spitzenkandidat in spe für die Landtagswahl in Baden-Württemberg hat zwar mit dem Agrar- und dem Bildungsressort nun schon zwei Jobs in der Regierung, bald womöglich aber gar keinen mehr. Der 58-Jährige könnte sich dann ganz auf den anstehenden Wahlkampf im Land konzentrieren. Auch muss er sich dann vielleicht weniger mit spontanen Bauernprotesten herumplagen wie vor Kurzem in seiner Heimatstadt Bad Urach. 

Allerdings nimmt Özdemir das die Bühne bei seinen Touren durchs Land, wenn er kein Ressort mehr innehat. Als Agrarminister durchpflügte er die Höfe im Südwesten und konnte sich heimatverbunden präsentieren - und das immer mit seinem Amt in Berlin rechtfertigen. Dafür muss er sich künftig wohl nicht mehr für alles, was in der Ampel schiefläuft, rechtfertigen. Er habe dann mehr Zeit, sich ums Land zu kümmern, sagt ein Grüner. (dpa/GEA)