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Aktuell Hochwasser

Merkel: »Gespenstische Situation« im Katastrophengebiet

Die Kanzlerin spricht nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz von einer Verwüstung, für die es kaum Worte gebe. Sie verspricht schnelle Hilfe und fordert, dass es anhaltende Solidarität brauche.

Angela Merkel im Hochwassergebiet
Kanzlerin im Katastrophengebiet: Begleitet von Rheinland-Pfalz' Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat Angela Merkel den Hochwasser-Hotspot Schuld besucht. Foto: Christof Stache/POOL AFP/dpa
Kanzlerin im Katastrophengebiet: Begleitet von Rheinland-Pfalz' Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat Angela Merkel den Hochwasser-Hotspot Schuld besucht. Foto: Christof Stache/POOL AFP/dpa

ADENAU. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Besuch im Hochwassergebiet in Rheinland-Pfalz den Betroffenen schnelle Hilfe versprochen und mehr Engagement beim Klimaschutz angekündigt.

»Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist«, sagte die CDU-Politikerin am Sonntag in Adenau im Kreis Ahrweiler. Merkel war am Mittag in dem besonders betroffenen Ort Schuld eingetroffen, wo sie mit Einsatzkräften und Einwohnern sprach. Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen, »gespenstischen Bildern« vor Ort zu verschaffen, sagte Merkel später im Ort Adenau. Die Bilder seien unfassbar gewesen.

Bund und Land würden Hand in Hand arbeiten, »um die Welt wieder Schritt für Schritt in Ordnung zu bringen in dieser wunderschönen Gegend«. Am Mittwoch werde die Bundesregierung ein Programm für schnelle Hilfen, mittelfristige Aufgaben und zur Wiederherstellung der Infrastruktur verabschieden, versicherte Merkel.

»Wir sehen, mit welcher Gewalt die Natur agieren kann«, sagte die Kanzlerin. »Wir werden uns dieser Naturgewalt entgegenstemmen - kurzfristig, aber auch mittel- und langfristig.« Es bedürfe einer Politik, »die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben«.

Nach dem Unwetter in Rheinland-Pfalz
Häuser, in die niemand mehr zurückkehren kann: Viele Menschen im Ahrtal haben ihre komplette Existenz verloren. Foto: Thomas Frey/dpa
Häuser, in die niemand mehr zurückkehren kann: Viele Menschen im Ahrtal haben ihre komplette Existenz verloren. Foto: Thomas Frey/dpa

Begleitet wurde Merkel von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und weiteren Landesministern. »Es wird lange dauern, bis die Leute wieder sagen können, ich erkenne meine Heimat wieder«, sagte Dreyer in Adenau. Vorrang habe die Suche nach den noch immer Vermissten. »Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen, die vermisst werden, gefunden werden.« Auch Merkel sagte, die Rettungsarbeiten hätten Vorrang.

Allein 110 Tote im Kreis Ahrweiler

Die Suche nach weiteren Opfern in den teils völlig zerstörten Ortschaften ging am Sonntag unvermindert weiter. Durch die Unwetterkatastrophe sind allein im Landkreis Ahrweiler 110 Menschen ums Leben gekommen. Zudem wurden zuletzt 670 Verletzte gezählt. »Es ist zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukommen«, berichtete die Polizei am Sonntag.Vier Tage nach den verheerenden Unwettern in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 150 gestiegen. Zerstörte Häuser, Brücken, Straßen und Bahnstrecken - die Wassermassen haben eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.

In Nordrhein-Westfalen lag die Zahl der bestätigten Todesopfer zuletzt bei 46, darunter waren vier Feuerwehrleute. Im Hochwasser-Hotspot Erftstadt westlich von Köln suchen immer noch zahlreiche Menschen nach ihren Angehörigen. Bisher wurden nach Angaben der Stadt bei der »Personenauskunftsstelle« 59 Menschen gemeldet, deren Aufenthaltsort ungewiss ist.

Im Stadtteil Blessem wollten Fachleute am Sonntag die Stabilität des Untergrunds prüfen. Sie sollen nach Angaben der Stadt die Abbruchkanten eines Erdrutsches untersuchen. Die Lage sei unverändert angespannt. In Blessem war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden. Mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der Burg stürzten ein.

Einen Rückschlag gab es bei Euskirchen an der Steinbachtalsperre südwestlich von Bonn. Dort fließt das Wasser langsamer als erwartet ab. Eigentlich hatten die Behörden gehofft, am Sonntagnachmittag Entwarnung geben zu können. Aus der Talsperre wird Wasser abgelassen, um Druck von dem Damm zu nehmen.

Scholz: »Es geht um Milliarden Euro«

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat unterdessen Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe im Westen in Aussicht gestellt. »Es braucht einen nationalen Kraftakt«, sagte der SPD-Politiker der »Bild am Sonntag«. Er wolle am Mittwoch im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen. »Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht«, erläuterte Scholz.

»Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro.«

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der am Samstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Katastrophengebiet in Erftstadt besucht hatte, versprach Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, dass »sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt« werde.

Steinmeier hatte zu Solidarität und Spenden für die Opfer aufgerufen. »Die Unterstützungsbereitschaft, sie muss anhalten, im Großen wie im Kleinen«, sagte er. Für Montag hat sich Bundesinnenminister Horst Seehofer in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angekündigt.(dpa)