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Correctiv-Journalist gibt in Reutlingen Einblicke in die Welt der Rechten

Vor rund einem Jahr gingen nach Veröffentlichung der Reportage »Geheimplan gegen Deutschland« aus Protest Millionen Menschen auf die Straße. Jean Peters war einer der daran beteiligten Investigativ-Journalisten. Er gab Auskunft zur Recherche, zu den rechten Umtrieben im Land und zur Kritik an seiner Arbeit.

Jean Peters auf der Bühne des FranzK. Dort erzählte er, wie ein Investigativ-Reporter arbeitet. Und warum er Deutschland nach Ve
Jean Peters auf der Bühne des FranzK. Dort erzählte er, wie ein Investigativ-Reporter arbeitet. Und warum er Deutschland nach Veröffentlichung des Artikels erst einmal verlassen musste. Foto: STEFFEN SCHANZ
Jean Peters auf der Bühne des FranzK. Dort erzählte er, wie ein Investigativ-Reporter arbeitet. Und warum er Deutschland nach Veröffentlichung des Artikels erst einmal verlassen musste.
Foto: STEFFEN SCHANZ

REUTLINGEN. Jean Peters tritt gestern Abend mit einer Clownsbrille auf der Nase auf die Bühne des Kulturzentrums FranzK und sagt: »Ihr kennt mich nicht, ich bin ein investigativer Journalist.« Und hat damit die Lacher auf seiner Seite.

Clown oder Journalist, Aktionskünstler oder Aktivist – das alles ist bei Jean Peters nicht ganz eindeutig, später wird er sagen: »Manche verstehen nicht, dass man mehrere Berufe im Leben haben kann.« Doch bleiben wir beim Journalisten Jean Peters. Der wurde vor etwa einem Jahr durch seine Arbeit bei der Plattform Correctiv deutschlandweit bekannt. Correctiv veröffentlichte damals die Reportage »Geheimplan gegen Deutschland«.

Darin wird beschrieben, wie sich ranghohe AfD-Politiker, Neonazis, CDU-Politiker der Werteunion und Unternehmer in einem Gästehaus am Potsdamer Lehnitzsee getroffen haben. Dort sollen sie, so schreiben es die Autoren, »nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland« geplant haben.

Journalist, Aktionskünstler und Aktivist

Jean Peters leitete damals die investigative Recherche zum Treffen der Rechtsextremen in Potsdam, in deren Folge Millionen von Menschen in ganz Deutschland für Demokratie und Menschenrechte auf die Straßen gingen. In Reutlingen legt er seine Clownsbrille ab und skizziert den rund 250 Interessierten, wie die Recherche ablief. Peters, dessen Name ein Pseudonym ist, befand sich im Oktober auf Sizilien, als eine entscheidende Nachricht auf seinem Handy "aufploppte", so erzählt er. Darin ein Brief, in dem zwei Männer, Gernot Mörig, ein rechtsextremer Zahnarzt, und Hans-Christian Limmer, ein bekannter Investor im Gastro-Bereich, zu einem Treffen innerhalb der rechten Szene einladen. "Sie luden zu einem patriotischen Treffen ein, bei dem sie Deutschland retten, einen Masterplan aufstellen und eine Strategie planen wollten

", sagt Peters, der mit seinem Vortrag "Schwarz Rot Braun" gerade auf Tournee ist.

Der Journalist erzählt, wie er sich über eine Buchungsplattform ein Zimmer am Tag der Zusammenkunft buchen konnte. Es wurden Autos vor dem Haus mit Kameras geparkt, so dass festgehalten werden kann, wer hinein geht. Und Peters? »Ich hab’ mich schick gemacht«, sagt er und zeigt ein Selfie von sich mit Vollbart, Hornbrille und konservativer Kleidung. Hinter dem Haus, auf dem See, buchen sie das »Saunaboot«, von dort aus können sie in den Saal fotografieren, in dem das Treffen stattfindet.

Einer der Redner spricht von »Remigration«

Einige der Teilnehmer sind den Journalisten von Correctiv bekannt: Einer ist der damalige persönliche Referent von Alice Weidel, ein anderer Martin Sellner, ein bekannter Rechtsextremist und Identitärer aus Österreich, der in der Folge als Redner auftritt. »Sellner spricht in seiner Rede von Remigration, er zählt auf, wen er meint: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und nicht assimilierte Staatsbürger. Letztere seien aus Sellners Sicht das größte Problem, hier müsse man einen Plan haben«, so erzählt Peters. In anderen Reden sei von dönerfreien Städten, dem Kampf gegen die Antifa und dem Umbau des Mediensystems die Rede gewesen.

Doch der Undercover-Reporter erzählt nicht nur von seiner Recherche, er sagt auch: Die Informationen, die durch ihren investigativen Journalismus aufgedeckt werden, sollen »über die Menschen in der Gesellschaft verbreitet werden«, er nennt das »die redaktionelle Gesellschaft«.

Peters spricht in seinem Vortrag eine Frage an, die immer wieder gestellt wird: Wie konnten die Journalisten die Inhalte dokumentieren, wie genau kamen sie an den Wortlaut der Gespräche im Gästehaus bei Potsdam? »Ich habe es noch nie gesagt«, sagt er, macht eine Pause und fügt hinzu: »Und ich werde es auch weiterhin nicht sagen.« Denn die Quellen müssten geschützt bleiben. Ganz neu waren die Erkenntnisse aus der Recherche vor einem Jahr tatsächlich nicht. Abwegig sind sie schon gar nicht. Schon im November 2023 sagte Sellner in einem Video des rechtsextremen Magazins Compact: »Remigration ist nicht nur Abschiebung von Illegalen, sondern ein großes, umfassendes Konzept, das sowohl Asylanten, also Asylbetrüger, Ausländer als auch nicht assimilierte Staatsbürger im Fokus hat.« Neu war allerdings die große Öffentlichkeit für das Thema.

Drohungen nach Veröffentlichung der Recherche

Die großen Demonstrationen nach Veröffentlichung der Recherche, gibt Peters zu, seien zugleich »unglaublich« wie auch »elektrisierend« gewesen. Doch dann muss der Mann auf der Bühne den Stecker ziehen, verlässt für drei Monate das Land. Warum? »Es war für mich eine gefährliche Zeit, es gab Drohungen. Ich wurde gewarnt, Neonazis hätten sich verabredet, um an meine Adresse zu kommen.«

AfD-Chefin Alice Weidel sprach kurz nach der Veröffentlichung des Artikels von einem der »größten Medien- und Politikskandale der Bundesrepublik Deutschland« und »DDR-Methoden«. Sie entließ damals ihren Mitarbeiter, der an dem Treffen teilgenommen hatte. Einige der Anwesenden gingen in der Folge juristisch gegen den Text vor. Was erstaunlich ist: Heute hat die AfD kaum noch ein Problem mit dem Begriff »Remigration«. Im Gegenteil, die Forderung gehört zur AfD-Programmatik. Parteichefin Weidel etwa nutzte ihn mit Nachdruck beim Parteitag in Riesa Mitte Januar.

Peters geht auch auf die Kritik an der Recherche ein. Seiner Meinung nach sei es eine Strategie der Rechten, seine Glaubwürdigkeit und die seiner Kollegen zu diskreditieren. Der Journalist, der einmal ein Clown war, wird zum Schluss wieder zum Aktivisten und sagt: »Die Situation ist bedrückend. Es gibt aber viele Leute, die kämpfen wollen und jeder kann etwas tun.« (GEA)