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Aktuell Migration

Was ist so schlimm am Wort »Remigration«?

Ein Begriff, der viele Deutungen zulässt und den Wissenschaftler und Politiker unterschiedlich verwenden

Marine Le Pen hat sich vom Begriff »Remigration«  distanziert und  Alice Weidel aufgefordert, dies ebenfalls zu tun.  FOTO: VERH
Marine Le Pen hat sich vom Begriff »Remigration« distanziert und Alice Weidel aufgefordert, dies ebenfalls zu tun. FOTO: VERHAEGEN/DPA
Marine Le Pen hat sich vom Begriff »Remigration« distanziert und Alice Weidel aufgefordert, dies ebenfalls zu tun. FOTO: VERHAEGEN/DPA

REUTLINGEN. Der Begriff »Remigration« sorgte vor einem Jahr im Zusammenhang mit den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv für Schlagzeilen. Doch woher kommt das Wort eigentlich und was ist damit gemeint? Ein Überblick.

- Wie wird der Begriff in der Migrationsforschung verwendet?

Mit Remigration, auch Rückwanderung oder Rückkehrmigration bezeichnen Forscher das Phänomen, wenn Menschen nach einer beträchtlichen Zeitspanne in ihr Herkunftsland oder die Herkunftsregion zurückkehren.

- Welche Typen von Remigration gibt es?

Der Soziologe Francesco Cerase, der 1974 italienische Einwanderer in die USA, die nach Italien zurückkamen, untersucht hat, teilt die Remigranten wie folgt ein: Bei einer Remigration nach kurzer Zeit spricht er von einem Fehlschlag der Migration und nennt als mögliche Gründe Anpassungsschwierigkeiten und das Fehlen adäquater Erwerbsmöglichkeiten.

Eine Remigration zur Bewahrung der Identität findet statt, nachdem sich der Auswanderer eingerichtet hat, eventuell genügend erspart hat und seine Heimatkultur bewahren und sogar im Herkunftsort pflegen will. Deshalb spricht man auch von Rückkehr aus Konservatismus. Als eine Rückkehr zur Innovation bezeichnet er die Rückwanderung nach langem Aufenthalt mit dem Ziel, neue Ideen in seiner Heimat zu verwirklichen. Dieser Fall tritt seltener auf und der Rückkehrer trifft auf den Beharrungswiderstand der lokalen Gesellschaft. Die Rückkehr nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben findet erst nach langer Zeit statt und der Rückkehrer ist wegen seiner langen Abwesenheit und seiner Sozialisation am Auswanderungsort entfremdet.

- Erzwungen oder freiwillig?

Eine der entscheidenden Fragen in der politischen Beurteilung ist, ob Remigration freiwillig oder erzwungen ist. Einige Autoren gehen aber von einem kontinuierlichen Übergang der Anreize aus, die für die Entscheidung zur Rückkehr ins Heimatland entscheidend sind.

- Was meint die AfD mit Remigration?

Laut dem Londoner Institut for Strategic Dialogue benutzt die Neue Rechte den Begriff als Euphemismus für die Zwangsabschiebung und Deportation von Minderheiten. In AfD-Programmen wurde beispielsweise von der »Rückführung kulturfremder Menschen« gesprochen. Alice Weidel bekannte sich kürzlich auf dem AfD-Parteitag zu Remigration in diesem Kontext: »Die Rückführung von Geflüchteten, wenn der Fluchtgrund im Heimatland entfalle, sowie die Rückführung von Straftätern, Gefährdern und Menschen, die ausländische Konflikte auf deutschem Boden austragen.«

Björn Höcke versuchte 2024 im TV-Duell mit dem thüringischen CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt den Begriff in den ursprünglichen wissenschaftlichen umzudeuten. Er meine damit die Rückkehr der 1,5 Millionen Deutschen, die die Bundesrepublik in den letzten 30 Jahren verlassen hätten.

- Warum sorgte der Begriff »Remigration« 2024 für Ärger zwischen Alice Weidel und Marine Le Pen?

Marine Le Pen hat sich distanziert von dem Begriff »Remigration«, der in der 1990er-Jahren von ihrer Partei häufig als Kampfbegriff verwendet worden war. Die Französin verordnete ihrer Partei eine Strategie der Bürgerlichkeit, wohl auch, um ihre Chancen im Präsidentschaftswahlkampf zu verbessern. Marine Le Pen forderte im Februar 2024 von Alice Weidel, sich vom Begriff Remigration zu distanzieren und forderte, dass dieser Begriff niemals in einem Wahlprogramm der AfD auftauchen würde. Weidel konnte dem nicht nachkommen, da im Wahlprogramm der AfD zur Europawahl 2024 bereits explizit »Remigrationsprogramme auf nationaler und europäischer Ebene« gefordert wurden. (GEA)