STUTTGART. Ermedin Demirovic streifte sich die ganze Last von seinem Körper. Immer wieder wischte sich der Angreifer des VfB Stuttgart in der 43. Minute die Hände an seinem Trikot von oben nach unten. Dann zeigte er eine Zwei in Richtung der Cannstatter Kurve. Das war das klare Zeichen: Der 27-Jährige erzielte am Freitagabend sein zweites Bundesliga-Saisontor, nachdem er bereits in der Vorwoche in Freiburg getroffen hatte.
Doch nicht nur das. Gleichzeitig feierte der bosnische Nationalspieler mit den Stuttgartern beim 2:0 (1:0)-Erfolg gegen die bisherige Überraschungsmannschaft FC St. Pauli den zweiten Dreier am vierten Spieltag. Es war ein eminent wichtiger Heimsieg, drohte die Stimmung im Ländle bei einer weiteren Niederlage noch weiter ins Negative zu kippen. Nun herrscht in Bad Cannstatt vorerst wieder Ruhe.
Hoeneß schenkt spanischem Youngster das Vertrauen
Stimmung ist ein gutes Stichwort. Spannend wäre zu wissen gewesen, wie die Gefühlslage von VfB-Kapitän Atakan Karazor vor dem Spiel gewesen ist, als Trainer Sebastian Hoeneß die Katze aus dem Sack ließ und die Aufstellung vor der Mannschaft verkündete. Es fehlte der Name des defensiven Mittelfeldspielers, der lange Zeit aus der Startelf nicht wegzudenken schien. Stattdessen schenkte Hoeneß Youngster Chema Andres das Vertrauen. Und der 20-Jährige enttäuschte seinen Coach nicht. Im Gegenteil.
Andres zeigte, dass er im Vergleich zu Karazor ein spielerisches Upgrade ist. Das 1:0 leitete er mit einem blitzschnellen und tollen Pass zu Vorlagengeber Jamie Leweling ein. Ansonsten spielte der Spanier wie ein alter Hase auf und wurde von seinen Mitspielern immer wieder im Spielaufbau gesucht. Andres machte keine Fehler, war der Denker und Lenker im Mittelfeld und stellte sogar Angelo Stiller in den Schatten. Der deutsche Nationalspieler ist aktuell weit von seiner Bestform entfernt und vergab nach 25 Minuten in kläglicher Manier einen Foulelfmeter. Der Strafstoß des 24-Jährigen fiel eher in die Kategorie Rückpass. »Das war bodenlos«, sparte der Mittelfeldspieler nicht mit Selbstkritik.
Für Stiller wurde es nicht besser: Vier Minuten später vergab er im Strafraum eine hundertprozentige Gelegenheit. Besser machte es schließlich Demirovic zwei Minuten vor der Pause. Sein Treffer zum 1:0 war bärenstark. Er ließ den ersten Verteidiger erst technisch anspruchsvoll per Hacke aussteigen, stellte dann perfekt seinen Körper zwischen Ball und den zweiten Gegenspieler und chippte zum Schluss den Ball unter die Latte. Herrlich. Diese Bewegungen erinnerten schon sehr stark an Rekordtorjäger Serhou Guirassy aus der Stuttgarter Vizemeister-Saison 2023/24.
Perfekter Start in Durchgang zwei
So gut wie die erste Halbzeit zu Ende gegangen war, so perfekt startete der Pokalsieger in Durchgang zwei. Nur fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff von Schiedsrichter Sascha Stegemann gingen die Hausherren durch Neuzugang Bilal El Khannouss mit 2:0 in Führung. Die Vorlage gab? Richtig, der seit jeher in der Kritik stehende Demirovic, der an Stelle von Karazor die Kapitänsbinde trug. So kann man seinen Kritikern mal antworten, die nach dem Last-Minute-Abgang von Nick Woltemade zu Newcastle United meinten, der VfB sei im Sturmzentrum nicht gut genug aufgestellt.
Erst jetzt fanden die Hamburger offensiv in die Partie. Und hätten wenige Augenblicke nach dem 2:0 beinahe prompt mit dem Anschlusstreffer geantwortet. Doch Louis Oppies strammer Linksschuss knallte nur an die Latte (52. Minute). Kurz danach parierte Alexander Nübel stark gegen Mathias Pereira Lage (54.). In der 56. Minute hätte Demirovic dann auf der anderen Seite den Deckel auf die Partie machen können. Doch der Mittelstürmer vergab nach einem Pass in die Spitze alleinstehend vor St. Pauli-Keeper Nikola Vasilj.
Und so blieb es am Freitagabend länger spannend, als es hätte der Fall sein müssen. Der VfB-Sieg war dennoch nie in Gefahr. Die Stuttgarter wahren damit zu Hause die weiße Weste. Für das Hoeneß-Team war es nicht nur der zweite Sieg im zweiten Heimspiel, sondern auch der zweite Dreier in der MHP-Arena, bei dem hinten die Null stand. (GEA)

