Logo
Aktuell EM

Mehr Mut und mehr Risiko gegen Portugal gefordert

Joachim Löw demonstriert Zuversicht, fordert von der Mannschaft aber eine Leistungssteigerung. Was die deutsche Defensive angeht, wird es darum gehen, Cristiano Ronaldo aufzuhalten.

Sieht sich in erster Linie im Mittelfeld: Joshua Kimmich.  FOTO: GROOTHUIS/WITTERS
Sieht sich in erster Linie im Mittelfeld: Joshua Kimmich. Foto: WITTERS
Sieht sich in erster Linie im Mittelfeld: Joshua Kimmich.
Foto: WITTERS

MÜNCHEN. Ilkay Gündogans Forderung steht vor dem Spiel gegen Europameister Portugal in München. »Wir müssen mehr nach vorne spielen und uns mehr Chancen erarbeiten«, sagte der Mann von Manchester City schon kurz nach der 0:1-Auftaktniederlage gegen Weltmeister Frankreich. Joachim Löw schließt personelle Veränderungen nicht aus, »vor allem aber müssen wir risikofreudiger werden, wir müssen mehr Mut beweisen«. Dass der Bundestrainer gegen Portugal auf Toni Kroos verzichtet, scheint ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen dagegen ist, dass Joshua Kimmich wieder ins Mittelfeld rückt – und Ilkay Gündogan erste Wahl bleibt, weil Leon Goretzka noch keine Option für 90 Minuten ist, wie Löw in der Abschluss-Pressekonferenz am Freitagabend in München unterstrich. »Leon hat fünf, sechs Wochen nicht gespielt, er hat noch keinen Rhythmus, ich kann mit ihm noch nicht über 90 Minuten planen«. Goretzka ist aber eine Option für den zweiten Durchgang.

Joshua Kimmich äußerte sich in München sehr bestimmt, er könne im Mittelfeld mehr ausrichten als auf der ungeliebten Außenposition: »In der Mitte bist du Bestandteil des Spiels, du kannst immer eingreifen, Kommandos geben, auf außen fühlt man sich dagegen manchmal auftragslos.« Er mag die Position nicht, aber »der Trainer trifft die Entscheidungen. Und prinzipiell würde uns ein Sieg gut tun, das hat oft nichts mit dem System, sondern vor allem mit Einstellung zu tun«.

Auch Löw fordert engagiert mehr Mut, mehr Risiko, nicht nur die Räume im letzten Drittel zu besetzen, auch dort zu bleiben und Torchancen zu suchen. »Ich nehme die Mannschaft als entschlossen wahr. Klar, der Druck hat sich erhöht, aber wir sind optimistisch, wir müssen in der Offensive präziser, dynamischer werden, das haben wir schon besser gemacht als in dem Spiel gegen Frankreich.« Offenbar sind Löw doch noch weitreichendere Erkenntnisse gekommen als direkt nach dem 0:1.

In der Angriffslinie wird vor allem Geschwindigkeit benötigt. Und das nicht nur, weil Pepe nur noch der ehemalige Star von Real Madrid ist und auf die 40 zugeht. Man braucht Speed, man braucht Leroy Sané, Serge Gnabry und Timo Werner. Denen kann Pepe nur noch hinterher schauen. Wobei Timo Werner in der Startformation umstritten bleibt, der Bundestrainer wird kaum auf Thomas Müller verzichten. Aber für Kai Havertz wird es nicht für die Startformation reichen.

»Auf der Außenposition fühlt man sich oft ziemlich auftragslos«

Was die deutsche Defensive angeht, wird es darum gehen, Cristiano Ronaldo aufzuhalten. Obwohl die Portugiesen nicht nur von Ronaldo abhängig sind. Bruno Fernandes von Manchester United, Bernardo Silva von Manchester City und Diogo Jota vom FC Liverpool bringen offensive Klasse auf das Spielfeld, sie sind keine Nebendarsteller. Das sieht auch der Bundestrainer: »Portugal ist alles andere als eine One-Man-Show des Cristiano Ronaldo, dafür haben sie zu viele andere starke Spieler. Aber in der Defensive haben wir es auch schon gegen Frankreich gut gemacht.«

Sollte Kimmich doch ins Mittelfeld rücken, stehen Matthias Ginter und Emre Can für die rechte Außenbahn zur Verfügung. Die linke Seite bleibt Robin Gosens von Atalanta Bergamo vorbehalten. Joshua Kimmich erlebte im letzten Training einen leidenschaftlichen Bundestrainer: »Er hat uns noch mal heiß gemacht. Er hat uns gesagt, dass wir jetzt langsam in den Wettkampfmodus kommen müssen.«

Der Bundestrainer erwartet ein Spiel auf Augenhöhe, aber »einfach wird es jedenfalls gegen einen ähnlich starken und eingespielten Gegner nicht. Man muss jede Sekunde hellwach sein. Wir haben alles noch in der eigenen Hand. Aber wir müssen uns steigern«. Löw ist bewusst, dass nach einer weiteren Niederlage das Aus konkreter werden kann, das nächste Desaster nach dem Debakel von Russland. Kimmich: »Wir sind nicht im Urlaub, es geht darum, dass wir das Spiel gewinnen und weiterkommen.« Und das trotz der Tatsache, dass ein verlässlicher Spielentscheider seit Jahren vermisst wird. »Wir brauchen auf jeden Fall das eine oder andere Tor«, sagte Löw fast flehend. Mehr Mut, mehr Risiko, mehr Entschlossenheit mahnte Kimmich an. In gestenreichen Gesprächen bereitete Löw Matthias Ginter und Antonio Rüdiger auf ihre Defensivaufgabe gegen Ronaldo vor. Zusammen mit Mats Hummels soll das Duo den Superstar ausbremsen, dem noch nie ein Tor gegen die deutsche Mannschaft gelang. »Ronaldo zählt aber immer noch zu den besten Stürmern der Welt«, sagt Ginter. (GEA)