REUTLINGEN. Seit mehreren Jahren steht es dort, zwischen Friedrich-List-Gymnasium und Kanzleistraße. Auf den ersten Blick sieht es aus, wie ein klassisches Bauschild. Genauso hat es auch ein GEA-Leser wahrgenommen. Ganz genau erkennbar ist es nicht mehr, weil es mittlerweile übersät ist mit Graffitis. Deshalb ist der Text kaum lesbar. Im Vorübergehen könnte man meinen, hier wird ein größeres Bauprojekt angekündigt. Die Hinweise auf dem Schild, dass hier das Bundesbauministerium, die Städtebauförderung, das Land Baden-Württemberg und die Bausparkasse Wüstenrot sowie die Stadt Reutlingen mit im Boot sind, verstärken den Eindruck, es handele sich um ein größeres Bauvorhaben.
Mitnichten teilt die Pressestelle des Reutlinger Rathauses auf Anfrage des GEA mit: »Es handelt sich nicht um ein Baustellenschild im eigentlichen Sinne, sondern um eine Info-Tafel, die sanierungswillige Immobilieneigentümer in dem Quartier darauf hinweisen soll, dass sie erkleckliche Fördermittel erhalten.«
Im Klartext: Das Schild ist vielmehr Werbung für ein umfangreiches Förderprogramm für alle Hausbesitzer in einem Gebiet, das sich über große Teile der Reutlinger Altstadt erstreckt. Dieses ist, trotz Graffitis, noch einigermaßen gut zu erkennen und erstreckt sich von der Kanzlei-, über die Oberamteistraße bis hin zum Marktplatz. Wer genau auf das vermeintliche Bauschild blickt, erkennt in den gelblich eingezeichneten Arealen auch die Museums-, die Nürtingerhofstraße oder die Rathausstraße. Das alles gehört zum Bund-Länder-Programm »Lebendige Zentren«.
Das gesamte Projekt ist auch recht aufwendig auf der Internetseite der Stadt Reutlingen aufbereitet. Hier stehen weitere Details. Auf den Seiten wird auch ersichtlich, dass es in der Oberamteistraße mächtig vorangeht bei der Sanierung der historischen Häuserzeile zwischen Heimatmuseum und Lederstraße. Hier ist rege Bautätigkeit zu verzeichnen. Es ist bekanntlich eine der ältesten zusammenhängenden Fachwerkhäuserzeilen Süddeutschlands, deren Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen soll. Sie wird in absehbarer Zeit saniert sein. Fördergelder in Millionenhöhe fließen in die Sanierung der denkmalgeschützten Häuser.
Das Förderprogramm »Lebendige Zentren« soll aber auch den anderen Gebäuden in der Altstadt zugutekommen. Tatsächlich tut sich etwas direkt gegenüber der Info-Tafel. In der Kanzleistraße 41 wird fleißig saniert, vom Eingang bis zum Dachgeschoss ist das alte Haus eingerüstet und entsprechende Schilder weisen auf die verschiedenen Betriebe hin, welche die Renovierung vorantreiben.
Eine solche Entwicklung würde Annette Kupke auch gerne bei den zahlreichen anderen Häusern der Altstadt sehen. Kupke, die im Reutlinger Rathaus das Förderprogramm leitet, erklärt: »Die Laufzeit des Förderprogramms ist begrenzt. Es läuft seit 2019 und endet im April 2028.« Solange würden alle Immobilienbesitzer im genannten Areal großzügige Steuervorteile bekommen, wenn sie mit der Stadt einen sogenannten Modernisierungsvertrag vereinbaren würden. »Diese Steuervergünstigungen gelten für sämtliche Modernisierungskosten«, so Kupke. Da könnten Hausbesitzer enorm sparen. Das Einsparpotenzial sei individuell und hänge vom Gebäude ab und was alles zu sanieren sei. Handele es sich um ein Haus, das unter Denkmalschutz stehe, seien zusätzliche Fördergelder möglich. Genaue Summen zu nennen, sei nicht schwierig , da diese für jedes Haus unterschiedlich ausfallen könnten.
» Möglicherweise kann es gereinigt werden, damit wieder alles lesbar ist«
Annette Kupke ärgert sich darüber, dass die Info-Tafel für das Programm so vollgeschmiert ist. Es könne so seine Werbewirksamkeit nicht mehr entwickeln: »Ich werde mir das jetzt ganz genau ansehen. Möglicherweise kann es gereinigt werden, damit wieder alles lesbar ist.« Sie setzt darauf, dass sich weiter Besitzer von Gebäuden im Sanierungsgebiet bei ihr melden und die Sanierung in der Reutlinger Altstadt vorankommt. (GEA)
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