REUTLINGEN. Sie sind klein und unbeholfen. Manche haben noch nicht mal ihre Augen auf. »Die Saison hat erst angefangen und alle wollen sie stark und groß werden«, informiert das Reutlinger Tierheim auf seiner Facebook-Seite. »Wir haben viele Babybäuche zu füllen«, heißt weiter im Post. Gerade sind es besonders viele. Die Rede ist von 30 Tierbabys, die sich aktuell in der Obhut der Kleintierstation befinden. Zehn Igelchen und 20 Siebenschläfer. Aber das ist nicht alles: »Neben den typischen Herbst-Findelkindern wie Siebenschläfer und Igel kamen mitten im September sogar noch zwei Eichhörnchenbabys zu uns.« Die seien einen Tag später von der Auffangstation »Filstal Eichhörnchen« übernommen worden, so das Tierheim. Mit einem Verweis auf eine Liste mit Futterzubehör bittet das Tierheim um Unterstützung. In der Liste sind unter anderem Aufzuchtmilch und Kryptosporidientests zu finden. Letztere dienen dazu Darmparasiten bei Igeln nachzuweisen.
Wie Sabine Klein von der Kleintierstation berichtet, ist es kein Zufall, dass gerade Anfang Herbst viele kleinen Tiere auf Hilfe angewiesen sind, um zu überleben. »Die meisten Igel kommen im August und September auf die Welt«, berichtet sie. Wenn sie in die Kleintierstation gebracht werden, sind sie enorm schwach. »Sie haben kaum Stacheln, manche wiegen nur 60 Gramm.« Das Problem: Das Zeitfenster bis zum Winterschlaf »ist für sie zu gering, um sich groß zu fressen«. Daher müsse man bei Igeln in Not schnell agieren. »Jede Minute zählt«, betont Klein.
Mit Wärme versorgen
»Beim Fund eines hilflosen Igels sollte nach weiteren betroffenen Geschwistern in der Umgebung gesucht werden«, ist auf der Homepage des Nabu Baden-Württemberg zu lesen. Weiter heißt es: »Zur Erstversorgung sollten Jungtiere zunächst warmgehalten werden, indem sie in ein Tuch oder eine Jacke gehüllt werden. Keinesfalls sofort Futter oder Trinken anbieten, sondern Kontakt mit einer Wildtierauffangstation aufnehmen.« Der Nabu empfiehlt, sie mit Wärmflaschen zu versorgen. Dabei sollten die Tierchen allerdings auch eine Möglichkeit haben, sich von der Wärmequelle zurückzuziehen. Als Quartier für aufgefundene Igel eignet sich »ein großer, mit Zeitungspapier, Handtuch oder Küchenrolle ausgelegter Karton oder eine Tiertransportbox, worin sich ein kleiner Karton als Rückzugsraum für den aufgefundenen Igel befindet«.
Hin und wieder finden sich die Kleinen lethargisch liegend im Garten oder schwach, mit vielen Schmeißfliegen um sich herum, berichtet Klein. Das seien ausdrückliche Anzeichen dafür, dass sie in Lebensgefahr schweben. Denn die Fliegenlarven bleiben nicht an der Oberfläche, sondern scheiden Verdauungssäfte auf die Haut des Igels ab. Dadurch entsteht ein Loch in seiner Haut, durch das die Larven ins Innere des Igels verschwinden und dort erst von der Körperflüssigkeit leben. Die vielen Maden scheiden weiterhin Verdauungssäfte ab, die dann auch die Muskulatur und andere Organe des Igels zersetzen. Die mit eingetragenen Bakterien führen zusätzlich zu Eiterbildung, der kleine Igel hat keine Überlebenschance mehr.
Angekommen in der Kleintierstation bekommen Igel alle zwei Stunden spezielle Aufzuchtmilch, erzählt die Tierpflegerin. »Die Tiere sind sehr pflegeintensiv. Wenn sie es dann aber schaffen, groß zu werden, macht es einen besonders glücklich.«
Verwaist und ohne Fell
Wie Igel haben es auch zahlreiche Siebenschläferbabys während ihrer ersten Lebensphase schwer, weiß Klein. Wenn sie beispielsweise noch nicht einmal Fell haben und das Muttertier stirbt, sind sie ebenfalls zu schwach, um sich selbstständig mit Futter zu versorgen. »Die Siebenschläfer stehen unter Artenschutz und gehören zu den besonders geschützten Tieren. Sie dürfen nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. Fachberatungen über den Umgang mit Schlafmäusen im Haus bieten Fachberater von der Unteren Naturschutzbehörde an«, ist zusätzlich auf der Seite des Nabu Baden-Württemberg zu lesen. Weiter heißt es: »Im Spätsommer bringen die Weibchen in Baumhöhlen und Nistkästen die nackten Jungen zur Welt.Oft fehlt es den Siebenschläfern an alten Bäumen mit geeigneten Höhlen«, weiß Volker Weiß vom Nabu-Landesverband. »Daher halten sie sich auch häufig auf dem Dachboden von Häusern auf, wo die dämmerungs- und nachtaktive Tier die Nacht zum Tag machen.« (GEA)