REUTLINGEN. »Zwei Frauen haben die schlimmste Zeit ihres Lebens durchgemacht. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.« Mit diesen Worten begann der Vorsitzende Richter Dr. Christoph Kalkschmid seine Begründung, warum die 2. Große Strafkammer des Tübinger Landgerichts am Donnerstag einen 41-Jährigen aus Reutlingen wegen Zwangsprostitution, Vergewaltigung und Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt hat.
Der Reutlinger saß schon einmal viereinhalb Jahre im Gefängnis. Er hat keine Berufsausbildung und auch nie einen längerfristigen Job ausgeübt. Trotzdem pflegte er einen aufwendigen Lebensstil mit teuren Autos und teurer Wohnung. Das Geld dazu verschaffte er sich durch Betrügereien und dadurch, dass er seine Ehefrau wie auch die minderjährige Tochter seiner Ex-Partnerin zur Prostitution zwang.
Dreimal am Tag Freier empfangen
Nach Auffassung des Gerichts besitzt der 41-Jährige eine große Fähigkeit, andere Menschen zu beeinflussen und zu manipulieren. Dies gelang ihm offensichtlich auch bei der minderjährigen Tochter seiner Ex-Partnerin. Das Mädchen, damals 15 Jahre alt, saß nach ihrem Hauptschulabschluss perspektivlos zu Hause. Sie war deshalb beeindruckt vom forschen Auftreten des wesentlich älteren Mannes. Sie hatte sich schon vorher über eine Internet-Plattform prostituiert. Im Jahr 2020 nahm der Angeklagte dies selbst in die Hand »und hat das Geschäft deutlich ausgeweitet«, so Kalkschmid. Das Mädchen empfing in seinem Auftrag dreimal am Tag Freier. Fast alles Geld, das sie durch die Prostitution einnahm, musste sie an ihn abgeben.
Neun Fälle von Vergewaltigung
Als sie aufhören wollte, zwang er sie mit Drohungen und Gewalt dazu, weiterzumachen. Außerdem verkehrte er, ebenfalls unter Zwang, geschlechtlich mit ihr, obwohl sie deutlich gemacht hatte, dass sie das nicht wollte. Das Gericht geht in seinem Urteil von neun Vergewaltigungen aus.
Ähnlich manipulativ ging der 41-Jährige bei seiner Ehefrau vor. Auch sie brachte er zur Prostitution und auch sie musste nahezu alle Einnahmen abliefern. »Mit Drohungen und mit körperlicher Gewalt« drängte er die Frau dazu, sich weiter zu prostituieren.
Auch andere Zeugen hatten im Prozess geschildert, dass der 41-Jährige ungemütlich werden konnte und Drohungen ausstieß, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen konnte. Nach Aussagen des psychiatrischen Gutachters wie auch des Gerichts besitzt der Angeklagte eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und ist emotional instabil.
In einem Fall hat der 41-Jährige auch einen Freier des minderjährigen Mädchens um 35.000 Euro betrogen. Zu der Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten legte das Gericht dem Angeklagten auch noch auf, 40.000 Euro an das heute 18-jährige Opfer zu zahlen. (GEA)
Im Gerichtssaal
Gericht: Dr. Christoph Kalkschmid (Vorsitzender Richter), Dr. Simon Salzbrunn. Schöffen: Eser Turgut, Rainer Bauser. Staatsanwalt: Nicolaus Wegele. Verteidiger: Matthias Obermüller. Nebenklagevertreter: Achim Unden. Sachverständiger: Dr. Stephan Bork.