Logo
Aktuell Regionalmarkt

Reutlinger Neigschmeckt-Markt: Weg vom Billig-Konsum

15. Auflage am Sonntag, 21. Juli in Planie und Stadtgarten. Ökumenischer Gottesdienst um 10 Uhr

Gabriele Janz (links) und Karin Zäh organisieren auch den 15. Neigschmeckt-Markt. Wegen der Baustelle in der Gartenstraße sind e
Gabriele Janz (links) und Karin Zäh organisieren auch den 15. Neigschmeckt-Markt. Wegen der Baustelle in der Gartenstraße sind es dieses Mal »nur« 129 Marktbeschicker, die Essen und Trinken, Kunst und Kunsthandwerk, Gastronomie oder Infostände anbieten. Foto: Frank Pieth
Gabriele Janz (links) und Karin Zäh organisieren auch den 15. Neigschmeckt-Markt. Wegen der Baustelle in der Gartenstraße sind es dieses Mal »nur« 129 Marktbeschicker, die Essen und Trinken, Kunst und Kunsthandwerk, Gastronomie oder Infostände anbieten.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Wie viele Besucher es bei der Premiere des Neigschmeckt-Marktes am 24. Juli 2005 waren – tatsächlich 30 000 oder doch nur 10 000 – spielte damals und spielt heute keine Rolle. Mag sein, dass die Euphorie über das, was die Bürgerinitiative Lebenswerte Oststadt (Ilos) im Verbund mit Plenum, einem Projekt des Landes zur Erhaltung und Entwicklung von Natur und Umwelt, vor 14 Jahren auf die Beine gestellt hatten, womöglich den klaren Blick getrübt hat. Fakt allerdings ist, dass schon der erste von heute 15 Regionalmärkten den Reutlingern und ihren Gästen einen Markt der Superlative geboten hat, einen Markt, der den Vergleich mit dem Stadtfest nicht zu scheuen brauchte.

Mit 13 000 Euro wurde der Markt am Anfang von Plenum in der Hoffnung gefördert, regionale Produkte und Dienstleistungen in die Stadt zu bringen. Diese Hoffnung hat sich mehr als erfüllt. »Neigschmeckt muss ein fester Bestandteil werden im Veranstaltungskalender des Landkreises«, hatte Landrat Thomas Reumann gefordert. Auch sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.

»Die Erde steht vor dem Kollaps«

»Grundgedanke des Marktes war die Vernetzung von Ideen, regionalen Produzenten, Konsumenten, Organisationen und Institutionen«, sagt Gabriele Janz. »Das Veranstaltungspotenzial in der Stadt und in der Region war und ist vorhanden. Aber zum Teil ist dieses Potenzial immer noch ungenutzt.«

Gabriele Janz und Karin Zäh kaufen regelmäßig auf dem Reutlinger Wochenmarkt ein.
Gabriele Janz und Karin Zäh kaufen regelmäßig auf dem Reutlinger Wochenmarkt ein. Foto: Frank Pieth
Gabriele Janz und Karin Zäh kaufen regelmäßig auf dem Reutlinger Wochenmarkt ein.
Foto: Frank Pieth

Am kommenden Sonntag, 21. Juli, lockt die 15. Auflage des Neigschmeckt-Marktes in die Planie und in den Stadtgarten. Federführend wie eh und je sind Karin Zäh und Gabriele Janz. Dass es mit 129 Ständen ein paar weniger sind als in den Vorjahren, liegt an den Bauarbeiten in der Gartenstraße. Weil im oberen Teil der Planie die Baufirma Bagger und Geräte abstellen muss, rückt der Neigschmeckt-Markt etwas weiter in die Planie hinein. Das Anbot ist trotzdem überbordend: Essen und Trinken, Kunst und Kunsthandwerk, Gastronomie, Infostände zu Umwelt, Klima oder Touristik sind wieder Bestandteile eines Marktes, der in Baden-Württemberg nahezu einmalig ist. Auch Start-up-Unternehmen, die Kulinarisches im Angebot haben, sind zu Gast. Los geht’s im 10 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst im Stadtgarten, ehe um 11 Uhr der eigentliche Markt beginnt. Um 19 Uhr ist Schluss.

Hatte der erste Markt noch den Hintergrund, den Menschen in der Stadt die hervorragenden, regionalen Produkte aus der Region schmackhaft zu machen, so hat der Markt längst auch eine politische Komponente. »Wir stehen heute vor gravierenderen Problemen. Die Erde steht vor dem Kollaps«, sagt Karin Zäh. »Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch industrialisierte Lebensmittelherstellung, gedankenloser Konsum mit allen Begleiterscheinungen, wie die zerstörerischen Mengen an Plastikmüll, führen zu Klimakatastrophen.«

Hoffnung gebe es, wenn die Menschen ihr Verhalten ändern und noch bewusster leben. Dazu will der Markt auch im Jubiläumsjahr im Bereich der Ernährung Hilfestellungen geben. Schon die vorhergehenden Märkte hätten Alternativen zum kritiklosen Billigmarkt-Konsum aufgezeigt. Das Bewusstsein, dass etwas getan werden muss, hat schon in den Anfängen des Neigschmeckt-Marktes begonnen zu wachsen.

»Wir dachten anfangs, den Markt braucht es nicht so lange. Aber die Infrastruktur für regionale Produkte beispielsweise aus dem Biosphärengebiet ist immer noch nicht so, wie es für Reutlingen wünschenswert wäre«, sagt Gabriele Janz, die darauf hinweist, dass es in diesem Jahr keinen Busshuttle geben wird. Neben der Gartenstraße wird auch die Beutterstraße umstrukturiert, damit im September die neuen Buslinien fahren können. Darüber hinaus sei die Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft RSV mit der Vorbereitung auf eben dieses neue Buskonzept beschäftigt.

Wer sich auf den Neigschmeckt-Markt am Sonntag einstimmen will, hat dazu am morgigen Mittwoch um 20 Uhr im Programmkino Kamino im Wendlerareal die Gelegenheit. Dort wird ab 20 Uhr der Film »10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?« gezeigt. Mit dieser Frage konfrontiert der Bestsellerautor, Dokumentarfilmregisseur und Ernährungsaktivist Valentin Thurn diverse Gesprächspartner.

Valentin Thurn hat schon mit »Taste the Waste« einen Dokumentarfilm über die Wegwerfgesellschaft und die Folgen der globalen Nahrungsmittelvernichtung vorgelegt, der viel Beachtung fand und kontrovers diskutiert wurde. Thurns neue Dokumentation sei ein kritischer Film, der nicht aufdeckt, »aber komplexe Zusammenhänge erhellt, mit Lösungsansätzen, maßgeblich für den Einzelnen, überall auf der Welt. Ein Film, der sich auf eine Reise um die Welt begibt, um die Frage zu beantworten, wie die Ernährung der Menschheit noch möglich sein soll, wenn die Weltbevölkerung in absehbarer Zeit auf zehn Milliarden Menschen angestiegen sein wird«, urteilt der renommierte »Film-Dienst«. (GEA)