REUTLINGEN. Seit Verschmälzung der beiden Warenhausketten Karstadt und Kaufhof zum Giganten »Galeria Karstadt Kaufhof« im Januar dieses Jahres habe man, wie es heißt, mit spürbarer Leistungsverdichtung durch Umstrukturierung und Personalabbau zu kämpfen. Geschuldet sei beides einer zwar notwendigen, jedoch – aus Sicht der Streikenden – gar zu einseitig praktizierten Unternehmenssanierung. Dass diese nämlich hauptsächlich zulasten der Angestellten geht – damit wollen sich die Betroffenen nicht abfinden.
Druck auf die Dienstherren
In großer Zahl sind sie deshalb dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt und haben – neben Reutlingen werden auch Filialen in Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Heilbronn, Göppingen und Mannheim bestreikt – vorübergehend die Arbeit niedergelegt: mit dem Ziel, den aktuell laufenden Tarifverhandlungen eine arbeitnehmerfreundlichere Wendung zu geben und Druck auf die Dienstherren auszuüben.
Seit heute Morgen sitzen Verhandlungsführer von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite zum wiederholten Male zusammen, um einen Sanierungstarifvertrag auf den Weg zu bringen. Denn die Zeit, weiß Verdi-Funktionär Benjamin Stein, drängt. Bis spätestens Ende Januar müsse ein Ergebnis vorliegen. Andernfalls gebe es vertragsrechtliche Schwierigkeiten.
Schlechter Zeitpunkt
Wobei es an Komplikationen schon jetzt nicht mangele. »Der Umstrukturierungszeitpunkt«, erklärt eine der protestierenden Reutlingerinnen, »ist denkbar schlecht gewählt.« Falle er doch mitten hinein ins Vorweihnachtsgeschäft. Was den Verdacht nahelege, dass die Konzernspitze »Umsatzeinbußen von vornherein einkalkuliert hat«.
Vor diesem Hintergrund habe die Mitarbeiterin – sie möchte anonym bleiben – keinerlei Gewissensbisse, auf der Straße statt hinter der Theke zu stehen. Dieser eine Warnstreiktag, meint sie, mache den Kohl gewiss nicht fett. Die Bilanzen seien ohnedies getrübt. »Ich für meinen Teil werde jedenfalls nicht kampflos aufgeben, für meine Rechte eintreten und für akzeptable Arbeitsbedingungen bei fairer Entlohnung.« Umso mehr, als große und noch größere Geldsummen ja ganz offensichtlich vorhanden seien. »Andernfalls hätte Galeria Karstadt Kaufhof den angeschlagenen Konzern Sportcheck niemals übernehmen können. Na, klingelt da was?«
Leiser Widerstand
Bei Verdi-Bezirksgeschäftsführer Benjamin Stein sehr wohl. Das, sagt er sinngemäß, passe nicht zusammen; spricht’s und verweist auf weitere Forderungen. Darunter verbindliche Arbeitsplatz- und Standortsicherungen, Mindestbesetzungsteams in der Warenlogistik, an den Kassen und im Verkauf sowie die Rückkehr zum Flächentarifvertrag.
Im Gegensatz zu Arbeitsniederlegungen in vielen anderen Branchen vollzieht sich der Warnstreik übrigens sehr leise. Niemand schmettert Parolen, niemand greift zur Trillerpfeife. Stattdessen setzen alle Beteiligten auf Gespräche: mit den Kunden. Und die reagieren fast durchweg positiv. »Wir erfahren Wertschätzung«, freuen sich die Kaufhof-Aktivisten. »Die Leute haben Verständnis und stärken uns den Rücken.«
Solidaritätsbekundungen gibt es auch seitens des inhabergeführten Reutlinger Einzelhandels, der den befristeten Ausstand offenbar mit Interesse und Anteilnahme begleitet. »Das tut gut.« (GEA)