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Reaktivierung alter Bahnstrecken: Reutlingen verhandelt über Fördermodalitäten

Im Mai 1983 fuhr der letzte Zug vom Reutlinger Hauptbahnhof nach Honau: Das Bild zeigt die Kreuzung der Bahntrasse mit dem Panor
Im Mai 1983 fuhr der letzte Zug vom Reutlinger Hauptbahnhof nach Honau: Das Bild zeigt die Kreuzung der Bahntrasse mit dem Panoramaweg in Reutlingen. (Archivbild) Foto: Wolfgang Geisel
Im Mai 1983 fuhr der letzte Zug vom Reutlinger Hauptbahnhof nach Honau: Das Bild zeigt die Kreuzung der Bahntrasse mit dem Panoramaweg in Reutlingen. (Archivbild)
Foto: Wolfgang Geisel

REUTLINGEN. Was bedeutet das Ergebnis der Landesstudie zur Reaktivierung alter Bahnstrecken für die Führung der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb (RSB) durch die Reutlinger Innenstadt? Die Frage steht im Raum, seit Verkehrsminister Winfried Hermann die Studie Anfang des Monats vorgestellt hat (der GEA berichtete). Die »Potenzialanalyse zur Reaktivierung von Schienenstrecken in Baden-Württemberg« hat die Strecke Reutlingen-Engstingen (Echaztalbahn) als Spitzenreiter ausgemacht, was die Frequentierung betrifft (siehe Infokasten).

Damit rückt in der Reutlinger Innenstadt das vorhandene Stück Honauer Bahntrasse, das die hiesigen Stadtbahn-Planer eigentlich schon aussortiert haben, wieder in den Fokus. Favorit war lange die Gartenstraße. Mittlerweile wird von der Verwaltung mit mehrheitlicher Unterstützung des Gemeinderats die Lederstraße als Vorzugsvariante gehandelt, um die Bahn dereinst durch die Stadt zu leiten.

Das Förderversprechen für die Reaktivierungsvorhaben klingt zunächst unwiderstehlich. Bund und Land trügen die Baukosten bis zu 96 Prozent. Zudem will das Land auf nachfragestarken Strecken den Betrieb gemäß Landesstandard zahlen (mindestens Stundentakt, bei hoher Nachfrage mehr). Der Minister macht Dampf und spielt den Ball ins Feld der Kommunen: Die Vergabe der Mittel erfolge in zeitlicher Reihenfolge der Inbetriebnahme – sofern ausreichend Geld vorhanden ist.

»Wir sind in Stuttgart auf sehr offene Ohren gestoßen«

Da ist wieder neue Musik drin im Thema, keine Frage: Die Reutlinger Verwaltung hat sich mit dem Stuttgarter Verkehrsministerium ins Benehmen gesetzt, um unter anderem die Frage nach der Streckenführung in der Innenstadt zu diskutieren, verrät der Leiter der Stadtplanung im Rathaus, Stefan Dvorak, auf GEA-Nachfrage.

Dvorak weist aber darauf hin, dass auch andere Strecken-Varianten – zumindest was die Baukosten betrifft – über die bisher vorgesehenen »klassischen« Töpfe von Bund und Land zu 89 Prozent gefördert werden sollen (wie die verbleibenden 11 Prozent in der kommunalen Gemeinschaft des RSB-Zweckverbands zu verteilen sind, wird noch verhandelt).

Offen sei allerdings, wie mit der klassischen Förderung der Betrieb unterstützt würde.

Es sei gleichwohl ein »übereilter Schluss«, zu denken, dass die Weichen in Reutlingen nun zügig auf die alte Honauer Bahntrasse umgestellt werden, sagt der Amtsleiter. Auch Bund und Land müssten Interesse daran haben, eine Strecke zu fördern, auf der möglichst viele Fahrgäste zusteigen, was sich ja auch auf den Zuschussbedarf positiv auswirkt. Diesbezüglich hatte die Honauer Trasse – die auf dem Reutlinger Abschnitt am Fuße der Achalm relativ weit abseits der Innenstadt verläuft – in der vergleichenden Bewertung mit den beiden anderen am schlechtesten abgeschnitten.

Dvorak stellt klar, dass sein Favorit weiter eine Trasse durchs Zentrum ist. Die Karten seien also nicht neu gemischt. Allerdings habe man »ein gestärktes Blatt, einen Trumpf mehr«. Generell sei es »eine Super-Nachricht« gewesen, dass die Stadt in der Landesstudie mit gleich zwei Streckenabschnitten auf Reutlinger Terrain so gut abschneide. »Das zeigt uns, dass wir richtig liegen. Schauen wir mal, was wir mit diesem fantastischen Ergebnis für unsere Innenstadtstrecke hinbekommen.« Bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Stuttgarter Ministerium sei man auf »sehr offene Ohren gestoßen«. Als Nächstes will man das Reutlinger Anliegen schriftlich darlegen.

Das Studienergebnis hat auch die Politik zu diversen Anträgen und Anfragen inspiriert: Die Stadtverwaltung möge baldmöglichst die Planung der Innenstadtstrecke der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb beginnen, fordert die FWV-Gemeinderatsfraktion.

Die CDU will die Honauer Bahntrasse zügig »aus dem Dornröschenschlaf erwecken«. Dafür sollten so schnell wie möglich die angekündigten Fördermittel bei Land und Bund beantragt werden. Die Fraktion hebt den Vorteil hervor, dass auf der bestehenden Bahntrasse ohne zeitaufwendige Planverfahren eine Bahnverbindung zwischen Reutlingen und Engstingen mit weiteren Anschlüssen in Richtung Ulm realisiert werden könne.

»Hat sich durch die Studie des Landes zur Reaktivierung der Echaztalbahn an der Bewertung der Trassenvarianten etwas geändert?«, will die SPD-Fraktion in ihrem umfangreichen Fragenkatalog unter anderem wissen. Für die Sozialdemokraten gelte, dass die Bahn »möglichst nah zu Schulen, Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten und Wohngebieten fahren muss«. Deshalb bleibe für sie die Lederstraße Vorzugstrasse, weil dort auch der höchste Nutzen-Kosten-Index zu erzielen sei. (GEA)

DAS ERGEBNIS DER POTENZIALANALYSE

Echaztalbahn: Absolut spitze

Bei der »Potenzialanalyse zur Reaktivierung von Schienenstrecken in Baden-Württemberg« hat die PTV Group für das Verkehrsministerium 42 Strecken untersucht. Ziel: »Die Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen, um die Streckenreaktivierungen zielgerichtet voranzutreiben.« Zentrales Thema dabei: die Abschätzung der Fahrgastzahlen. Bei 13 Strecken wurde sehr hohes Nachfragepotenzial ermittelt. Spitzenreiter beim zentralen Parameter »durchschnittliche Personenkilometer pro Streckenkilometer« ist mit Abstand die Strecke Reutlingen Hauptbahnhof – Honau – Engstingen (ehemalige Echaztalbahn). Auf 15,3 Kilometern Strecke sind 11 080 Einsteiger täglich prognostiziert. Doch auch für die im RSB-Jargon sogenannte »Gomaringer Spange« wurde hohes Potenzial ermittelt: Der Streckenabschnitt Reutlingen – Gomaringen – Nehren (Süd) liegt auf Platz drei der Spitzengruppe. (igl)