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Aktuell Wohnen

Mehr Wohnungen für Benachteiligte in Reutlingen

Der neue Verein »WohnWerk« will Menschen mit Unterstützungsbedarf in Reutlingen zu Wohnraum verhelfen.

Bilder wie dieses augenscheinlich unbewohnte Mehrfamilienhaus gibt es in Metzingen zwar nicht, doch auch hier stehen viele Wohnu
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt bleibt angespannt. Foto: FRANK RUMPENHORST/DPA
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt bleibt angespannt.
Foto: FRANK RUMPENHORST/DPA

REUTLINGEN. »Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf haben auf dem lokalen Wohnungsmarkt keine Chance, eigenständig bezahlbaren Wohnraum zu finden«, sagte Michael Wandrey in einer Zoom-Konferenz unter dem Titel »Parität im Dialog«. Um diesem Wohnungsmangel gerade für benachteiligte Menschen entgegenzuwirken, ist im September nach langer Vorarbeit ein Verein gegründet worden, der unter dem Namen »WohnWerk« künftig »systematisch und mit vereinten Kräften Mietwohnraum für Menschen der Zielgruppe« akquirieren soll, so Wandrey als Projektkoordinator.

Sieben soziale Einrichtungen aus den Landkreisen Reutlingen und Tübingen haben sich bislang in dem neuen Verein zusammengefunden, die jetzt schon insgesamt mehr als 100 Wohnungen für ihre jeweilige Klientel angemietet haben. »Die Träger haben aber einen zusätzlichen jährlichen Bedarf von rund 30 Wohnungen für Menschen, die nach der Betreuung Wohnraum benötigen.« Wenn nämlich der Mietvertrag ausläuft, dann seien die Vermieter zumeist nicht mehr erpicht darauf, den Vertrag auf die Menschen in den Wohnungen zu übertragen. Für die Einrichtungen ergebe sich zudem das Problem, dass »der Arbeits- und Kostenaufwand für die angemieteten Wohnungen schleichend immer größer wird«, so Michael Wandrey. Die Arbeit der Immobilienverwaltung belaste vor allem kleinere und mittlere Träger immer mehr, sei oft »nebenher nicht mehr zu bewältigen«.

Werbekampagne geplant

Der Ansatz, um dieses Problem zu lösen, könne nun so aussehen, dass dieses »WohnWerk« als »dem Gemeinwohl verpflichteter Akteur auf dem lokalen Wohnungsmarkt tätig wird«, betonte Wandrey. Eine »angemessene Infrastruktur« soll künftig für Verwaltung, Instandhaltung, Vermieter- und Mieterberatung der Mitglieder zuständig sein. Eine Werbekampagne soll private Vermieter und Wohnungsunternehmen ansprechen sowie Investoren gewinnen, um Erwerb und Neubau von Wohnraum zu erreichen. Und: Der Verein setzt auf die enge Vernetzung mit Kommunen und Wohnbaugenossenschaften. »Sehr positiv ist, dass die Stadt Reutlingen dem Verein auch beitreten will«, so der Projektkoordinator.

Eines der acht Grundprinzipien des »WohnWerks« laute: Trennung von Wohnen und Betreuung. Gründungsmitglieder waren vor allem Einrichtungen aus Tübingen, aber nicht nur: Die KIT-Jugendhilfe war mit dabei, VSP, Pro Juventa, Karola-Bloch-Stiftung, Verein für psychoanalytische Sozialarbeit und die Aids-Hilfe Tübingen-Reutlingen. Im Moment läuft das Verfahren zur Stellenbesetzung, der Arbeitsbeginn soll im April 2022 sein.

Was der neue Verein erreichen will: Die Möglichkeiten für unbefristete Wohnverhältnisse, über das betreute Wohnen hinaus, sollen verbessert werden – ebenso wie der Wohnungstausch zwischen Trägern. Passt der eine Wohnraum etwa nicht für Wohngemeinschaften, so ist er womöglich für eine andere Einrichtung genau der richtige. Wichtig sei laut Wandrey, dass das WohnWerk später auch als »politischer Akteur auftreten kann«. Denn: Eine gewisse Größe sorge auch für mehr Macht am Wohnungsmarkt. Um sogenannte »Windhundrennen«, wie sie jetzt schon zwischen unterschiedlichen sozialen Trägern vonstattengehen, künftig zu vermeiden, soll das WohnWerk als ein Verein für möglichst viele Mitglieder auftreten. »Ich weiß, dass wir einen wunden Punkt in dem Konzept haben«, betonte Michael Wandrey am Montagabend.

Meilenweit entfernt

Wohnungen könnten bislang von sozialen Trägern angemietet werden, solange deren Klientel in der Grundsicherung sei. Aber: »Wenn sie selbstständig werden, zumeist in schlecht bezahlten Jobs sind, können die Mieten ein großes Problem darstellen.« Durch einen möglichst hohen Wohnungsstand des WohnWerks könnte vielleicht erreicht werden, dass die Menschen »nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für Miete aufbringen müssen«. Davon seien der Verein und die gesamte Gesellschaft aber meilenweit entfernt. (nol)