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Aktuell Rettungswesen

Malteser in Reutlingen und der Region: »Haben eine überholte Notfallversorgung«

Die Malteser im Bezirk Neckar-Alb plädieren für alternative Hilfsangebote bei 112-Anrufen. Das bisherige System sei veraltet. Es drohe eine Unterversorgung.

Der Malteser Rettungsdienst ist mit über 550 Spezialfahrzeugen eine der festen Säulen der präklinischen Notfallversorgung in Deu
Der Malteser Rettungsdienst ist mit über 550 Spezialfahrzeugen eine der festen Säulen der präklinischen Notfallversorgung in Deutschland. FOTO: MALTESER
Der Malteser Rettungsdienst ist mit über 550 Spezialfahrzeugen eine der festen Säulen der präklinischen Notfallversorgung in Deutschland. FOTO: MALTESER

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Mit einem eindringlichen Appell an Kommunen und Bundesländer warnen die Malteser vor einer zunehmend schlechteren Notfallversorgung der Bevölkerung. »Das bisherige System der Notfallversorgung ist in weiten Teilen überholt. Die Menschen, die zwar schnell, aber einfache medizinische oder pflegerische Hilfe benötigen, müssen andere Angebote bekommen. Der losbrausende Rettungswagen als immer die gleiche Antwort auf einen eingehenden Anruf unter der 112 ist eine teure und oft falsche Antwort«, beklagt der Leiter des Rettungsdiensts der Malteser im Bezirk Neckar-Alb, Marc Lippe.

»Wir müssen die Bedürfnisse der Menschen zur Grundlage nehmen«

»Ohne gravierende Veränderungen im Rettungsdienst droht eine lokale Unterversorgung«, sagt er. Viel zu langsam werde neuen Lösungsansätzen Raum gegeben oder behinderten einzelne Akteure eine Fortentwicklung. Auf einem Symposium zum Rettungsdienst in Bad Lauterberg erörterten Experten und Leiter von Rettungswachen der Malteser aus allen Bundesländern notwendige Veränderungen.

Die eine Million Einsätze der Malteser im bundesweiten Krankentransport und Rettungsdienst im Jahr 2021 sprechen eine deutliche Sprache und bekräftigen die schwierige Situation in der präklinischen Versorgung in Deutschland. »Wir müssen die Bedürfnisse der Menschen zur Grundlage nehmen, welche Art der Hilfe wir ihnen anbieten«, fordert Lippe. Zwei Beispiele aus der Praxis: Zum einen sollten Notärzte, an denen es im deutschen Rettungsdienst insgesamt mangelt, nur dort eingesetzt werden, wo schwerwiegende Schäden für Leib und Leben drohen. Zum anderen ist die passendere Reaktion auf den Hilferuf einer pflegebedürftigen Person oftmals der Rat eines medizinisch oder pflegerisch versierten Gesprächspartners. Eine Notfallpflege – die sich um eine Person in deren vier Wände kümmert – würde mehr helfen als ein Aufenthalt »auf Station« im Krankenhaus.

Es gibt vereinzelt Modellversuche: zum Beispiel mit einem einzeln fahrenden »Gemeinde-Notfallsanitäter«, der ohne Blaulicht vor der Türe steht und durch Gespräch und eine Erstuntersuchung erkennt, ob ein kleineres oder größeres Problem vorliegt.

Ist das Problem kleiner Natur, kann der Gemeinde-Notfallsanitäter selbst helfen, organisiert Hilfe und hat mehr Zeit als eine Rettungswagenbesatzung, die unter dem Zeitdruck steht, in Kürze bei einem schweren Notfall nicht oder nicht rechtzeitig vor Ort zu sein. »Die Kleinstaaterei im deutschen Rettungswesen muss aufhören. Es muss flächendeckende Angebote geben, die die Bevölkerung einfach aktivieren kann und die auch 20 Kilometer weiter genauso funktionieren«, sagt der Malteser-Rettungsdienst-Experte.

Auch für Menschen mit Problemen, die psychosozialer Hilfe bedürfen, erwarten die Malteser mehr Kreativität in der Hilfestellung. Andere Berufsgruppen könnten hier helfen, die Versorgung zu verbessern und medizinisches Fachpersonal nicht zu blockieren.

Praktische Vorschläge zur besseren präklinischen Gesundheitsversorgung will die Hilfsorganisation jetzt mit einem Expertenrat ausarbeiten. »Wir möchten in einem halben Jahr praktikable Lösungen auf den Tisch legen, um unseren Beitrag zur Rettung des Rettungswesens zu leisten«, formuliert Marc Lippe die eigenen Ziele. (eg)