REUTLINGEN. Hammerschläge schallen durch die Werkstätten des Arts Department am Cheshire College South & West: Eine Gruppe von Studentinnen der Design+Kunst Akademie Reutlingen machen neben englischen Studierenden große Konservendosen platt. »Fühlt sich therapeutisch an«, sagt jemand – und alle kommen an den Schraubstöcken ganz schön ins Schwitzen. Die Anstrengung dient aber noch einem ganz anderen Zweck – doch dazu später mehr.
Kreativität und Ideen
Es ist der erste Besuchstag im Rahmen eines Kunstaustauschs zwischen den beiden Partnerstädten Ellesmere Port und Reutlingen. Beim Rundgang durch das College sind die Besucher gebührend beeindruckt von den gut ausgestatteten Werkstätten, Ateliers, Film- und Fotostudios. In den Klassenräumen findet sich die neueste Technik für Mediendesign und digitale Kunst – und dennoch gibt es bis zu einer Altersgrenze von 19 Jahren keine Studiengebühren. Klar wird aber auch schnell, welches Ausmaß an Ideenreichtum und Anstrengung hier nicht nur in der Lehre, sondern vor allem beim Fundraising aufgebracht wird, um den hohen Standard zu halten – und das mitten im englischen Norden, wo die sogenannte »Cost of Living Crisis« (übersetzt in etwa: »Lebenshaltungskostenkrise«) überall deutlich spürbar ist.
Untergebracht waren die kleine Gruppe deutscher Studentinnen und die beiden Dozentinnen der Reutlinger Design+Kunst Akademie in den ökologisch gestalteten Außengebäuden von Old Trafford Hall, einem denkmalgeschützten Herrenhaus, das heutzutage als Jugendherberge dient.
Bunt, vielfältig und kreativ ging es am Samstag weiter, beim Africa Oye – einer Mischung aus Weltmusikfestival, Jahrmarkt und städtischem Familienpicknick – zwischen uralten Bäumen und auf grünem Rasen im berühmten Sefton Park von Liverpool. Hier kamen die plattgedrückten und -gehämmerten Dosen zum Einsatz: als Ausgangsmaterial für bunte Tin Faces im Rahmen eines Kinderworkshops.
Kunst und Freunde
Die deutschen Teilnehmer waren beim Festival in Kunstaktionen eingebunden. Diese Aktionen sind Ian Prewitt, seines Zeichens Herz und Seele des Kunstbereichs am College, seit jeher besonders wichtig. Auch Rachael Roberts, Mediendozentin und zweite Betreuerin des Projekts auf englischer Seite betonte, dass es bei den sogenannten Community Art Projects vor allem um eins gehe: Menschen zusammenzubringen, an Kunst zu beteiligen und Freundschaftsnetzwerke aufzubauen.
Zwei weitere Workshops im Boat Museum von Ellesmere Port standen deshalb am letzten Tag des Besuchs unter einem ähnlichen Motto. Hier kreierte man in einem Street Art Projekt großformatige Arbeiten in multimedialer Technik zum Thema Schifffahrt und Wasserstraßen: Mal wurde durch Schablonen gesprayt, mal mit Pinsel, Filzstiften und Kreide nachgearbeitet. Auch bei dieser Gelegenheit kam es zwischen den dekart-Studierenden und dem Publikum zu zahlreichen Kontakten und Gesprächen.
Der Austausch wurde vom Kulturamt Reutlingen, Abteilung Städtepartnerschaften, in Zusammenarbeit mit der dekart (Design+Kunst Akademie Reutlingen), dem Cheshire College South and West sowie der Ellesmere Port/Reutlingen Friendship Group organisiert. (eg)