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Haben Rechtsextreme Stromkästen in Reutlingen besprüht?

Ein vor kurzem nach Reutlingen gezogener GEA-Leser fragt besorgt: »Warum sind in der Stadt so viele Stromkästen in Reichsfarben besprüht?« Dabei hatte er die Reichsflagge mit der Reutlinger Stadtflagge verwechselt. Warum diese sich so ähnlich sehen.

Viele Stromkästen in Reutlingen sind in den Farben Schwarz-Rot-Weiß besprüht worden.
Viele Stromkästen in Reutlingen sind in den Farben Schwarz-Rot-Weiß besprüht worden. Foto: Frank Pieth
Viele Stromkästen in Reutlingen sind in den Farben Schwarz-Rot-Weiß besprüht worden.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Als er den ersten gesehen hatte, war ein GEA-Leser irritiert, aber als sie in Reutlingen vor kurzem immer zahlreicher wurden, war er zutiefst besorgt. Dem Mann, der vor zwei Jahren aus dem Norden der Republik in eine Reutlinger Teilgemeinde gezogen war, waren besprühte Stromkästen im Stadtgebiet aufgefallen. Dass es sich dabei um Sachbeschädigung handelt, sei für ihn nicht das Problem. Entsetzt hat ihn vielmehr die Farbgebung: Schwarz-Rot-Weiß. »Warum sind die alle mit Reichsflaggen versehen?«, wunderte sich der Neu-Reutlinger. Er fragte sich, ob »Rechte« oder »Reichsbürger« mit den besprühten Stromkästen ihr politisches Gedankengut in der Achalmstadt verbreiten wollen. »Es gibt ja eine Problematik mit gewissen Leuten.«

Offenbar hatte er dabei die »Reichsbürger«-Razzia im Kopf, als ein Mann im März einen Polizisten bei einer Hausdurchsuchung angeschossen hatte. Oder die Reutlinger Corona-Demos, die zu Hochzeiten der Pandemie zu einer Protest-Hochburg der sogenannten »Querdenker« geworden waren. Gerne wird die Reichsflagge von Rechtsextremen und Neonazis genutzt. Denn anders als eindeutige Nazi-Symbole wie Hakenkreuz oder SS-Runen ist sie nicht verboten.

Detail unterscheidet Reutlinger Flagge von Reichsflagge

Stadtarchivar Dr. Roland Deigendesch kann dem Bürger die Sorge nehmen. »Auf den Stromkästen ist nicht die Reichsflagge zu sehen, sondern die Reutlinger Stadtflagge.« Dem Zugezogenen ist dabei ein entscheidendes Detail offensichtlich nicht aufgefallen: Zwar sind die vorhandenen Farben der beiden Flaggen dieselben, allerdings ist die Reihenfolge beim mittleren und unteren Streifen vertauscht. Trotz der Ähnlichkeit der beiden Flaggen sagt Deigendesch: »Unsere Stadtfarben haben mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte nichts zu tun. Die Reutlinger Flagge ist viel älter.«

Die Reutlinger Stadtfarben haben eine »uralte« bis ins Mittelalter reichende Geschichte, weiß der Stadtarchivar. Das älteste Symbol der Stadt ist der Adler als Zeichen für den Status als Freie Reichsstadt unter Kaiser Maximilian I. Schon auf dem ältesten erhaltenen Reutlinger Siegel aus dem Jahr 1243 ist dieser zu finden. Weil »eine ganze Reihe von Städten« den Adler als Symbol hatten, »kamen irgendwann die Stadtfarben als Unterscheidungsmerkmale ins Spiel«, sagt Deigendesch. In einem Wappenbuch aus dem 15. Jahrhundert seien die Farben in der Reihenfolge Schwarz-Rot-Weiß erstmals erwähnt. »Bis heute sind sie unverändert geblieben.«

SSV-Anhänger für Verzierungen verantwortlich

Die Ähnlichkeit zur Reichsflagge ist dabei "purer Zufall", sagt der Stadtarchivar. Die zur Verfügung stehende Farbpalette ist aufgrund der Regeln der heraldischen Farbgebung "grundsätzlich stark eingeschränkt". Deswegen finden sich dieselben Farben auf verschiedenen Flaggen wieder." So weisen die Flaggen des Jemen, des Irak, von Syrien und Ägypten und dieselben Farben wie das Reutlinger Pendant auf - aber ebenfalls in anderer Reihenfolge.

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Kann es trotzdem sein, dass die besprühten Stromkästen in Reutlingen von Rechtsextremen stammen, die die schlicht die Farb-Reihenfolge durcheinandergebracht haben? Nein. Die Schwarz-Rot-Weiß-verzierten Verteilerschränke gehen auf das Konto von unbekannten Anhängern der Oberliga-Fußballer des SSV Reutlingen, dessen Vereinsfarben identisch sind mit denen der Stadt. Das bestätigt ein Insider aus dem SSV-Umfeld auf GEA-Anfrage. Der zerstreut die Sorge über einen politischen Hintergrund aus dem rechten Spektrum: »Der Verein und seine Fanszene stehen für genau das Gegenteil: nämlich für Vielfalt.« (GEA)